Die Kastratin
gesungen«, wandte Koloban ein.
Die Gräfin sah ihn mit leuchtenden Augen an. »Aber noch nie für mich allein.«
Koloban seufzte. »Ich bin froh, dass Ihr kein Mann seid, Casa-monte. Ich müsste sonst vor Eifersucht glühen. Oh, verzeiht! Ich wollte Euch nicht kränken, aber hier in Wien sind wir den Umgang mit Ka …, mit Euresgleichen nicht gewöhnt.«
»Ihr habt mich nicht gekränkt.« Giulia schenkte ihm ein Lächeln und stellte sich in Pose. Die nächsten zwei Stunden versank sie im Rausch ihrer Musik und wurde ihre Gastgeber erst wieder gewahr, als sie das letzte Lied beendet hatte.
Koloban musterte sie, als sähe er sie zum ersten Mal, und verbeugte sich vor ihr. »Schöner als Ihr kann kein Engel singen!« Seine Frau knickste vor Giulia, als wäre sie der Kaiser persönlich. »Ihr seid wunderbar, Casamonte. Ich bedaure, dass Ihr Wien verlassen müsst, und bete, dass Ihr irgendwann wieder zu uns zurückkommt.«
»Ich danke Euch.« Giulia schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Es war schön, Freunde und Bewunderer zu haben, die ihre Musik um ihrer selbst willen liebten und nicht deshalb, weil sie zum höheren Ruhm Gottes erklang. Sie wollte sich schon verabschieden, als sich Koloban an etwas erinnerte. »Wartet einen Moment«, bat er und verließ kurz den Raum. Als er zurückkam, hielt er zwei Päckchen in seiner Hand. »Ich soll Euch das von Christoph von Württemberg geben. Er bedauert, dass er sich nicht persönlich von Euch verabschieden konnte, doch er hat Wien verlassen, um jeden weiteren Streit mit dem Baiernherzog zu vermeiden.« Koloban reichte Giulia zuerst das größere der beiden Päckchen und danach das andere. »Dieses hier ist von meiner Frau und mir als kleiner Dank für etliche wunderschöne Stunden.«
Giulia starrte auf die beiden Geschenke und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Es tut mir sehr Leid, aus Wien scheiden zu müssen.«
»Uns auch«, erwiderte die Gräfin und reichte ihr ein Seidentuch. »Behaltet es. Es soll Euch immer an mich erinnern.«
»Danke! Danke für alles. Ihr seid so gütig, wie ich nur wenige Menschen kennen gelernt habe.« Giulia musste sich erneut die Tränen abwischen, aber auch in den Augen der Gräfin glitzerte es. Als sie dem Diener folgte, der sie hinausgeleiten sollte, bemerkte sie, wie schwer es ihr fiel, das gastfreundliche Haus zu verlassen, und sie fragte sich, ob sie je wieder so warm empfangen werden würde wie hier.
Eine Stunde später stand sie auf ihrem gewohnten Platz in der Hofkapelle, um die Abendmesse zu singen, die seit Herzog Albrechts Ankunft dreimal in der Woche in der Kapelle stattfand. Albrecht V. saß ganz vorne in der Nähe des Kaisers und betrachtete Giulia mit sehr zufriedener Miene, so als wäre sie ein wertvoller Gegenstand, den er erst kürzlich erworben hatte.
XI .
A m nächsten Morgen, dem Tag vor ihrer Abreise, wurde Giulia durch einen gellenden Schrei aus dem Schlaf gerissen. Schlaftrunken sprang sie aus dem Bett und taumelte in das andere Zimmer. Dort hatte sich Assumpta über Beppo geworfen und schlug verzweifelt die Stirn gegen das Holz. »Er ist tot!«, schrie sie mit einer Stimme, die nichts Menschliches mehr an sich hatte. »Gestern ging es ihm doch noch so gut! Wie kann Gott nur so grausam sein?« Giulia hob sie auf und zog sie tröstend an sich. Dabei sah sie direkt in Beppos wachsbleiches, starres Gesicht. Es sah seltsam verzweifelt aus, als habe der alte Mann sich bis zur letzten Minute gegen den Tod gewehrt. Unwillkürlich griff sie nach der Flasche mit dem Mohnsaft, die sie erst gestern vom Arzt geholt hatte. Bis auf einen winzigen Rest war sie leer. Mit einem Mal fühlte Giulia eine fürchterliche Leere im Kopf. Hatte Beppo das Elixier, das in kleinen Dosen heilend, in voller Menge aber tödlich wirkte, selbst zu sich genommen, um ihr keine Last zu sein? Sie konnte es sich kaum vorstellen, denn als sie ihm und Assumpta von dem kleinen Haus im Garten der Kolobans berichtet hatte, war Beppo richtig aufgelebt. Das Eingesperrtsein zwischen den dicken Mauern des Palasts hatte ihn schon seit dem Tag bedrückt, an dem er wieder ein paar Schritte im Zimmer hatte auf und ab gehen können.
So blieb Giulia nur ein Schluss übrig. Jemand musste am Abend zuvor Assumptas kurze Abwesenheit genutzt und sich ins Zimmer geschlichen haben, um den wehrlosen, alten Mann mit seiner eigenen Medizin zu vergiften. Das, was sie und Assumpta später am Abend für
Weitere Kostenlose Bücher