Die Kastratin
hatten. Man hatte den Mann zuerst bis aufs Blut ausgepeitscht und ihm dann eine glühende Eisenstange durch den After in den Darm gestoßen, bis er unter schrecklichen Qualen gestorben war.
Pater Lorenzo hielt den Jungen, der sich an ihm vorbeidrängen wollte, fest und stieß ihn gegen die Wand. »Es ist ungeheuerlich. Du sollst zu Gottes Ruhme in der Basilika San Ippolito singen und beschmutzt dich vorher wie ein Heide mit dem Kot des Darmes, in den du gestochen hast, als wäre es die Öffnung einer Frau.«
Ambrogio begann zu heulen. »Ich wusste doch nicht, dass es eine Sünde ist. Ludovico hat gesagt, ich soll mitkommen, weil er mir etwas zeigen wolle.«
Ludovico schrie wild auf. »Das ist nicht wahr! Ambrogio ist schuld. Er wollte, dass ich es tue. Ich wusste doch auch nicht, dass es eine Sünde ist.« Seine Stimme überschlug sich bei den ersten Worten, wurde plötzlich so tief, dass der Knabe vor sich selbst erschrak, und endete dann mit einem kieksenden Laut. Es war, als hätte dieser Akt widernatürlicher Sexualität Ludovicos Stimmbruch endgültig zum Durchbruch verholfen.
In diesem Augenblick begriff Pater Lorenzo, dass keine Medizin der Welt dem Knaben die Fähigkeit verleihen würde, am Festtag zu singen, und er lachte bitter auf. Solange Ludovico als Sänger des Soloparts unentbehrlich war, hätte der Abt die Sünde der beiden Jungen nur als lässlichen Streich angesehen, aber nun braute sich das Unheil auch über dem Liebling des Grafen zusammen. Auch wenn der Pater einem bitteren Ende seiner Karriere als Chorleiter und Mann der Kirche entgegensah, war er froh, dass der Knabe seiner Bestrafung nicht entgehen würde. Niemand, der mit der Sünde der Sodomie behaftet war, durfte in den geheiligten Räumen von San Ippolito zum Ruhme Gottes singen. Das war ja noch viel schlimmer, als wenn eine Frau ihre Stimme zum Ruhme Gottes erheben würde.
Bei diesem Gedanken holte er tief Luft. In seinem Kopf formte sich eine Idee, verschwommen zunächst, aber mehr als verlockend. Plötzlich waren Ambrogio und Ludovico nur mehr Störenfriede für ihn, die er schnellstens loswerden musste. »Ambrogio, du kehrst jetzt in den Schlafsaal zurück und betest zwanzig Ave-Maria, bevor du dich hinlegst. Ich werde mich morgen mit dir befassen. Du aber, der du nicht warten konntest, bis du ein Mann bist und Gott dir in seiner Gnade ein Weib gibt, kommst mit mir.« Er packte Ludovico mit der einen Hand am Genick, griff mit der anderen nach dessen Hemd und schleppte ihn umbarmherzig mit sich.
Als er ihn zu der engen Treppe zerrte, die in die Kellergewölbe hinabführte, begehrte Ludovico auf. »Wenn Ihr mich schlagt, sage ich es dem Grafen.« Die Drohung verfehlte jedoch ihre Wirkung. Pater Lorenzo brachte ihn in den Klosterkarzer und stieß ihn in eine der Zellen. »Hier bleibst du, bis über dich entschieden wird«, erklärte er grimmig und schob den Riegel vor.
Ludovicos Proteste ignorierend kehrte er in den Probenraum zurück, in dem Girolamo Fassi eben dem Inhalt des Weinkrugs den Garaus gemacht hatte. Lachend ging er auf ihn zu und packte ihn bei der Schulter. »Fasst Mut, Meister Girolamo. Ich weiß jetzt, wie wir aus allen Schwierigkeiten herauskommen können.«
VII .
M itten in der Nacht wurde Giulia wachgerüttelt. Sie schreckte hoch, sah ihren Vater über ihr Bett gebeugt stehen und hob halb noch in einem bösen Traum gefangen die Arme, um sich vor Schlägen zu schützen. Ein Talglicht beleuchtete sein verzerrtes Gesicht mit weit aufgerissenen, flackernden Augen. Fassis Stimme zitterte und klang heiser vor Erregung, doch er schob ihre Arme beiseite und strich ihr sanft über das schweißnasse Haar. »Du brauchst keine Angst haben, mein Kind. Bitte steh auf und ziehe dich an. Aber sei ganz leise, damit du Mutter nicht weckst.«
Giulia schlüpfte in ihren Kittel und folgte ihrem Vater in die Studierkammer. Dort saß Pater Lorenzo und sah ihr mit einem taxierenden Blick entgegen.
Er winkte ihrem Vater, die Tür zu verschließen, und hob den Zeigefinger, als wolle er sie tadeln. Seine Stimme war so leise, dass sie ihn kaum verstand. »Giulia, was wir dir jetzt sagen, muss absolut geheim bleiben. Unser aller Wohlergehen hängt davon ab. Können wir uns auf dich verlassen?«
Giulia warf ihm einen bangen Blick zu. »Ja, Pater. Ich verspreche es Euch beim Herzen Jesu.« Das schien ihr feierlich genug zu sein. Im nächsten Augenblick presste sie die Hände vor den Mund, um nicht aufzuschreien. »Du wirst an Ludovicos
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