Die Kastratin
Aufgabe zu stärken. Sie muss gute Milch haben, um Euren Enkel zu nähren.«
»Dann sorge dafür, dass sie reichlich Nahrung zu sich nimmt.« Der Graf wandte sich nun an Giulia, die nach vielen Stunden endlich schweigen durfte. »Ich danke Euch, Casamonte. Eure Stimme besitzt wirklich Zauberkraft.« Erst dann schien er sich seiner Schwiegertochter zu erinnern, die schweißüberströmt und mit blutigem Nachthemd auf dem nassen Bett lag. »Ihr habt Eure Aufgabe erfüllt, meine Liebe.«
In Giulias Ohren klangen seine Worte herzlos, so als sei es ihm gleichgültig, was jetzt mit der Mutter seines Enkels geschah. Der Graf hielt sich auch nicht lange im Zimmer der Wöchnerin auf, sondern ging eilig davon. Draußen auf dem Flur hörte Giulia ihn nach seinem Schreiber rufen.
Giulia fühlte sich mit einem Mal überflüssig und wusste nicht, was sie tun sollte. Ein Blick auf das Kind, das eben von der Hebamme gewickelt wurde, ließ sie die schlimmen Umstände der Geburt vergessen. »Darf ich den Kleinen einmal im Arm halten?«
Die Wehmutter blickte kurz zu ihr auf und reichte ihr den Knaben, achtete jedoch genau darauf, ob Giulia ihn richtig hielt. Giulia sah in das kleine Gesichtchen und kämpfte mit den Tränen. Sie würde wohl nie ein eigenes Kind in den Armen tragen. Vincenzo, warum habe ich dich fortgejagt?, dachte sie verzweifelt.
Die Hebamme sah den Kampf der Gefühle auf ihrem Gesicht und nahm ihr das Kind ab. »Es muss schwer für Euch sein, zu wissen, dass Ihr nie einen Sohn zeugen werdet.«
Giulia versuchte, ihre Schwäche abzuschütteln, und nickte. »Ja, das ist es. Wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde, würde ich mich gerne zurückziehen. Ich bin müde.«
Die Hebamme nickte mitleidig. »Das glaube ich gerne. Ihr habt geschlagene zwölf Stunden gesungen, damit der Erbe gesund auf die Welt kommt. Dafür wird der Graf Euch gewiss reichlich entlohnen.«
Das war Giulia im Augenblick herzlich egal. Sie wollte nur allein sein. Jetzt, wo ihr Auftrag hier erfolgreich abgeschlossen war, musste sie wieder an die Zukunft denken. Da die Einladung der Abtei von San Lassaro noch immer galt, würde sie wohl als Erstes dorthin reisen, auch wenn sie dadurch noch stärker an Vincenzo erinnert wurde. Sie konnte nur hoffen, dass ihr die Musik Trost spenden konnte. Ihre Lieder waren das Einzige, was ihr noch geblieben war.
VI .
B ischof della Rocca hatte die Affäre Casamonte bislang völlig nebensächlich behandelt und es auch unterlassen, Ludovico Molonis Verdacht an die päpstliche Gerichtsbarkeit weiterzuleiten, die eigentlich für solche Fälle zuständig war. Irgendwie hoffte er immer noch, dass das Ganze im Sand verlaufen würde. Schließlich hatte er Casamonte ja selbst singen gehört. Ein Mädchen konnte vielleicht die Reinheit einer Knabenstimme erringen, eine Frau jedoch niemals mit einem Kastraten konkurrieren. Dies widersprach allen Lehren der heiligen Kirche, die dem weiblichen Geschlecht den entsprechenden Verstand, die Kraft und auch den Willen dazu absprach.
Aus diesem Grund war der Bischof froh, Ludovico in seine Dienste genommen zu haben. Der Bursche war nicht ungeschickt, außerdem zuverlässig und bemüht, die Aufträge seines Herrn nicht nur wortgetreu, sondern auch sinngemäß zu erfüllen, ohne dass ihn dabei hinderliche Skrupel plagten. Ein paar nebenbei hingeworfene Bemerkungen, ihn im Rang aufsteigen zu lassen, hatten Ludovicos Ergebenheit sogar noch gesteigert.
Als Ludovico an diesem Morgen ins Zimmer trat und vor della Roccas Arbeitstisch stehen blieb, nickte ihm der Bischof daher leutselig zu. »Guten Morgen, Ludovico. Wie ist das Wetter draußen? Ich hoffe, es ist schön, denn ich will heute zum Pferderennen fahren.«
Ludovico kniete nieder und führte die Rechte des Bischofs an die Lippen. »Buon giorno, Euer Eminenz. Erinnert Ihr Euch noch an Casamonte?«
Obwohl ihn diese unvermittelte Frage verblüffte, nickte della Rocca. »Aber ja. Ich verfolge die Sache bereits mit aller Strenge.« Sein Lächeln war dabei ebenso falsch wie der Wahrheitsgehalt seiner Worte. »Ich danke Euch, Herr. Übrigens gibt es da neuerdings einen Schreiber, der wegen seiner Kenntnisse der deutschen Sprache eingestellt wurde und immer wieder nach Casamonte fragt. Der Mann nennt sich Torelli, doch ich habe in Erfahrung gebracht, dass es sich um einen verarmten Adligen namens Vincenzo de la Torre handelt.«
Der Bischof hob ruckartig den Kopf. »De la Torre? Der war doch Casamontes Bärenführer!«
Ludovico
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