Die Kastratin
nickte. »Genau der. Anscheinend hat er sich von Casamonte getrennt und will nun in Erfahrung bringen, wo der angebliche Kastrat sich aufhält. Nun, ich weiß es. Ich habe nämlich ein paar Nachforschungen angestellt und sogar mit dem ehrwürdigen Pater Spinelli aus dem Dominikanerkolleg darüber gesprochen.« Er sah della Rocca triumphierend an. Spinelli gehörte zur päpstlichen Inquisition. Della Rocca ärgerte sich über Ludovicos Eigenmächtigkeit, wusste aber gleichzeitig, dass er jetzt nicht mehr um eine Entscheidung herumkam. Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, forderte er Ludovico auf, ihm alles zu berichten, was dieser über Giulio Casamonte erfahren hatte. »Giulia Fassi hält sich derzeit beim Comte Biancavallo in der Nähe von Verona auf. Sie soll mit ihrer Hexenstimme dafür sorgen, dass dessen Schwiegertochter einen gesunden Sohn zur Welt bringt. Wir können die Verbrecherin dort jederzeit festnehmen lassen.«
»Ich kenne den Grafen. Er ist ein ehrenwerter Mann und durch die vielen Fehlgeburten seiner Schwiegertochter arg gestraft. Wenn wir Casamonte von dort wegholen, bevor Gott seine Hoffnungen erneut enttäuscht hat, wird er in seiner Verzweiflung mir die Schuld daran geben, denn an einem Menschen zweifelt man nun einmal eher als an Gottes Gerechtigkeit. Wir werden also nichts unternehmen, bis Casamonte das Castello Biancavallo verlassen hat.«
Ludovico nahm die Entscheidung zähneknirschend zur Kenntnis, auch wenn er sich sagte, dass selbst die längste Schwangerschaft kaum mehr als neun Monate dauern konnte. Dann wäre die Zeit seiner Rache gekommen. Er musste nur das Eisen schmieden, bis auch der Bischof nicht mehr umhin kam, das gotteslästerliche Weib der irdischen Gerechtigkeit zu überantworten. Er zwang sich zu einem untertänigen Lächeln. »Mir sind überdies noch Gerüchte aus Wien zu Ohren gekommen, die Casamonte …« Er sprach diesen Namen wie einen Fluch aus und verbesserte sich sofort »… die die Hexe Giulia Fassi in ein äußerst schlechtes Licht setzen.«
Della Rocca sah seufzend auf und fand, dass Ludovico manchmal sehr anstrengend sein konnte. »Und was sind das für weltbewegende Neuigkeiten?«
»Graf Falkenstein, der lange Jahre der ketzerischen Irrlehre anhing und erst vor wenigen Monaten in den Schoß der heiligen katholischen Kirche zurückgekehrt ist, beschuldigt Giulia Fassi und Vincenzo de la Torre der Sodomie.«
Das schallende Gelächter des Bischofs unterbrach Ludovico, bevor er weitersprechen konnte. »Sodomie, sagst du? Nun, wenn das nicht ein Beweis dafür ist, dass es sich bei Casamonte um einen Beschnittenen und nicht um deine Giulia Fassi handelt, dann weiß ich keinen besseren.«
Ludovico ließ jedoch nicht locker. »Es kann aber auch etwas anderes bedeuten, nämlich dass dieser de la Torre und Giulia ein Verhältnis wie Mann und Frau pflegen. Außerdem ist diese Anklage, der in jedem Fall nachgegangen werden muss, nicht alles. Giulia Fassi soll zusammen mit de la Torre einige Baiern wahren Glaubens bei dem Erzketzer Christoph von Württemberg verleumdet und so deren Tod verursacht haben. Außerdem beschwor Falkenstein, dass der angebliche Casamonte und de la Torre sich dem lutherischen Irrglauben ergeben und an den widerlichen Riten der Ketzer teilgenommen haben.«
Ludovico würde mit seiner kraftvollen Stimme einen guten Ankläger des Inquisitionsgerichts abgeben, dachte della Rocca seufzend. Er fragte sich aber auch, warum das Heilige Offizium trotz dieser Anklagen nichts gegen de la Torre und Casamonte unternommen hatte, und fand die Antwort etwas später am Nachmittag in einem Bericht des päpstlichen Gesandten Piccolomini, dessen Kommentar darauf hinwies, dass Falkenstein unglaubwürdig sei, weil ihm von de la Torre Hörner aufgesetzt worden sein sollten. Gerüchten zufolge sei Casamonte dabei zugegen gewesen. Da eine solche Handlung für einen Kastraten nicht ungewöhnlich war, nahm der Bischof sie als weiteren Beweis, dass Ludovico von seinem Hass auf Giulia Fassi verblendet war und die Wahrheit nicht sehen wollte. Da aber die Nachforschungen des Burschen bereits bei den Behörden Aufsehen erregt hatten, musste er rasch handeln, wenn er einen Skandal vermeiden wollte.
Den Ärger, den Ludovico ihm eingebrockt hatte, sollte der Bursche ihm jedoch bezahlen. Della Rocca beschloss, ihm einen Platz in der Gesandtschaft zu besorgen, die den Kaiser von China zum christlichen Glauben bekehren sollte. Doch zuerst musste er das Problem Casamonte lösen,
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