Die Kastratin
ohne sich selbst zu beschmutzen. Er sagte sich, dass er nicht zuletzt deshalb so weit aufgestiegen war, weil er sich stets auf alle Eventualitäten vorbereitet hatte. Wenn Casamonte tatsächlich Giulia Fassi war, musste er auch für diesen Fall vorbauen. Zu seinem Ärger gab es in dem Bericht aus Wien einen Punkt, der für Ludovicos Theorie sprach. Della Rocca schenkte Piccolominis Beteuerungen, dass Casamonte nichts von dem geplanten Anschlag auf den Herzog von Württemberg gewusst hätte, keinen Glauben. Schließlich konnte schon ein zufällig aufgeschnapptes Wort jemand auf die richtige Spur bringen. War Casamonte etwas über den Anschlag zu Ohren gekommen, war es der schwachen und irrenden Seele einer Frau eher zuzutrauen, den Württemberger zu warnen, als einem Kastraten, der ja immerhin als Mann geboren worden war.
Als della Rocca in seinen Palazzo zurückkehrte, befahl er seinem Leibdiener, Ludovico und einen Hauptmann der päpstlichen Garde zu rufen.
Der Mann verbeugte sich und blinzelte listig. »Benötigt Ihr den Herrn Gonzaga?«
Der Bischof schüttelte unwirsch den Kopf. »Nein, nicht ihn. Der Mann tratscht mir zu viel von seinen angeblichen Heldentaten in der Kneipe aus. Hole mir einen der Schweizer. Die sind am zuverlässigsten.« Während der Diener eilfertig den Raum verließ, dachte della Rocca daran, dass Geheimhaltung das höchste Gebot für diesen Fall war. Egal, wie es ausging, über einen kleinen, eingeweihten Kreis hinaus durfte niemand etwas erfahren.
VII .
G iulia konnte das Castello Biancavallo nicht so rasch verlassen, wie sie gehofft hatte. Die junge Gräfin war nach der schweren Geburt leidend und ließ sich nur durch ihre Lieder beruhigen. Erst als Roberto Biancavallo zurückkehrte, sich den Knaben ansah und lauthals verkündete, dass er zufrieden sei, wich die Anspannung seiner Gemahlin. Der junge Graf verschwand auch bald wieder, um sich seiner derzeitigen Mätresse zu widmen. Erst mit seiner Abreise wurde es ruhiger im Schloss, so dass Giulia endlich weiterreisen durfte.
Comte Biancavallo zeigte sich mehr als großzügig. Giulia erhielt eine so große Summe von ihm, dass sie davon mehrere Jahre in angenehmen Verhältnissen leben konnte. Als sie die schwere Börse in der Hand hielt und sich artig bedankte, empfand sie große Sehnsucht nach einem einsamen Bergdorf, in dem sie niemand kannte und in das sie sich für einige Zeit mit Assumpta zurückziehen könnte. Die alte Frau vertrug die anstrengenden Reisen nicht mehr, und sie hatte nun Besseres verdient, als in unbequemen Reisewägen über schlechte Straßen halb zu Tode geschaukelt zu werden. Giulia dachte mit Dankbarkeit daran, wie treu Assumpta ihr all die Jahre zur Seite gestanden war, und nahm sich vor, ihr noch einige schöne Jahre zu bereiten.
Der Abschied von der jungen Mutter und den Frauen im Schloss war um einiges herzlicher als der von dem Grafen. Die Mamsell schleppte einen riesigen Korb mit Lebensmitteln und Naschereien herbei, damit Giulia auf der Fahrt nach Verona nicht hungern musste, und wischte sich dabei die Tränen aus den Augen. »Fahrt mit Gott, Messer Casamonte. Ihr habt uns das schönste Geschenk gemacht, das wir uns wünschen konnten.«
»Dankt Gott, nicht mir«, erwiderte Giulia leise.
Der Kutscher schnalzte nun mit der Zunge und ließ die Pferde antraben. Ein letztes Winken, und dann blieb das Castello Biancavallo hinter ihr zurück. Weder sie noch Assumpta hatten auf dieser Fahrt das Bedürfnis zu reden. Nach den aufreibenden Wochen auf dem Schloss schien ihnen die Kutsche wie ein Ort der Verbannung. Vincenzo hatte es verstanden, ihnen beiden das Reisen angenehm zu machen, und hier vermissten sie ihn ganz besonders. Doch weder Giulia noch Assumpta wagten es, seinen Namen auszusprechen.
Die Straßen, die das Schloss des Comte mit Verona verbanden, waren so schlecht, dass die Kutsche drei Tage für die Reise benötigte. Bei der letzten Rast hielt ihr Wagen neben einem anderen Gefährt, das bereits ausgespannt worden war. Dennoch hielt sich jemand in seinem Innern auf. Giulias Gedanken kreisten so sehr um Vincenzo, dass sie den derbgesichtigen jungen Mann nicht einmal bemerkte, der vorsichtig das Fensterleder zur Seite schob und ihr nachstarrte. Assumpta aber sah ihm zufällig ins Gesicht und rieb sich nachdenklich die Stirn. Aber da ihr nicht einfallen wollte, wieso ihr der Mann so bekannt vorkam, vergaß sie ihn schnell wieder.
Ludovico ließ Giulia nicht aus den Augen, bis sie in die Herberge
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