Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
dauerte eine Weile, bis er auf den Namen kam und er nach Donatella Rivaccios Haus fragen konnte. Aber niemand schien sie zu kennen. Nach einer Weile wies ihm ein älterer Mann, den er vor der Kirche Santa Anna anhielt, den Weg.
    Unterwegs zupfte Vincenzo seine Kleidung zurecht, die auf der Reise stark gelitten hatte, und hoffte, dass ihm der Pförtner nicht von vornherein die Tür vor der Nase zuschlug. Er hatte jedoch Glück, denn die Zehnscudimünze in seiner Hand glänzte zu verlockend. »Womit kann ich dienen?«, fragte der Türsteher, ein kleiner älterer Mann, ohne allerdings den Weg freizugeben. Dafür sah ihm Vincenzos Kleidung doch nicht vornehm genug aus. »Mein Name ist Vincenzo de la Torre«, stellte sich Vincenzo vor. »Ich hätte gerne Messer Casamonte oder die Signora Rivaccio gesprochen.«
    »Casamonte? Den kenne ich nicht«, beschied ihn der Pförtner kopfschüttelnd. »Und was die Signora Rivaccio betrifft, so lebt diese nicht mehr hier.«
    Vincenzo starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. »Aber das Haus gehört ihr doch.«
    »Es hat ihr gehört. Im letzten Herbst hat sie es an Messer Alcide Fiorelli verkauft, dessen Frau das Geschäft mit ihren eigenen Mädchen weiterführt.«
    Noch wollte Vincenzo den letzten Funken Hoffnung nicht aufgeben. »Weißt du, wohin Signora Rivaccio gezogen ist?«
    »Leider nicht. Mir hat sie erzählt, sie würde mit ihrem Gatten, dem Signore Giroli, nach Mantua gehen. Der Patronin nannte sie jedoch Neapel als Ziel und dem Signore Matoni, dem Steuereinnehmer dieses Stadtviertels, erzählte sie gar, sie wolle Italien verlassen, um bei den Barbaren im Norden ein neues Haus zu eröffnen.«
    Mit der Auskunft gab Vincenzo sich nicht zufrieden und erreichte es durch seine Hartnäckigkeit, Clarissa Fiorelli selbst zu sprechen. Doch auch sie konnte ihm nicht mehr mitteilen, als er bereits von ihrem Türsteher erfahren hatte.
    Wie sollte die Dame auch wissen, dass Giulias Vater in einer intimen Stunde seiner Frau die Geschichte um seinen falschen Sohn erzählt und ihr damit einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte. Donatella Giroli kannte die Gründlichkeit, mit der die heilige Inquisition vorging, und wusste, dass sie und ihr Mann ebenfalls in deren Folterkellern landen würden, wenn eines Tages die Wahrheit ans Licht kam. So hatte sie kurz entschlossen ihr Haus verkauft und ihre und ihres Mannes Spur so gut es ging verwischt, um weit außerhalb des Kirchenstaats unter einem anderen Namen neu anzufangen.
    Vincenzo blieb zuletzt nichts anderes übrig, als sich mit einer tiefen Verbeugung von Donatellas Nachfolgerin zu verabschieden. Einige Häuserzeilen weiter setzte er sich entmutigt auf den Stumpf einer antiken Säule. Er hatte zwei Möglichkeiten. Entweder begab er sich auf Reisen, um Giulio Casamonte zu suchen, oder er blieb hier in Rom und wartete, bis er kam. Allerdings besaß er weder für das eine noch für das andere das nötige Geld. Hier in der Stadt war es allerdings leichter, sich das Notwendigste zum Lebensunterhalt zu verdienen. Notfalls musste er eben jenen Narren das Fell über die Ohren ziehen, die glaubten, das Glück im Würfelspiel gepachtet zu haben, und nicht wussten, wie sehr Geschicklichkeit die Würfel beeinflussen konnte. Aber das behagte ihm nicht sonderlich. Lieber wollte er den Versuch wagen, in der päpstlichen Verwaltung als Schreiber unterzukommen. Eine solche Arbeit war zwar eines de la Torre unwürdig, aber er würde auf diese Weise am ehesten von Giulio Casamontes Rückkehr erfahren. Heute war es allerdings zu spät, um bei den entsprechenden Stellen nachzufragen. Doch Vincenzo nahm sich fest vor, sich am nächsten Tag um einen Posten zu bewerben.

V .
    G iulia empfand ihren Aufenthalt im Castello Biancavallo als öde und aufreizend zugleich. Die Schwiegertochter des Grafen war eine verhuscht wirkende Frau mit eingefallenem Gesicht und dünnen, brünetten Haaren, der die vielen, vergeblichen Schwangerschaften bereits schwer zugesetzt hatten. Sie erinnerte Giulia an eine ängstliche Maus, die den Stiefel, mit dem man sie zertreten will, über sich schweben sieht. Norina Biancavallo war sich im Klaren darüber, dass ihr Gemahl Roberto sie nach einer weiteren Fehlgeburt als Gefahr für den Fortbestand seines Geschlechts ansehen würde. Da er sich nicht von ihr scheiden lassen konnte, um eine andere Frau zu heiraten, die ihm den heiß ersehnten Erben gebären konnte, würde er wohl über kurz oder lang danach streben, Witwer zu

Weitere Kostenlose Bücher