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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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spüren, sie zu schlagen, zu demütigen, bis sie ihn um Gnade anwinselte und vor ihm kroch. Dann konnte er sie immer noch hohnlachend den Schergen der Inquisition in die Arme drücken und sich an ihrer Angst weiden.
    Ein Blick auf ihr beherrscht wirkendes Gesicht sagte ihm jedoch, dass er seine Pläne so schnell nicht verwirklichen konnte. Zuerst musste das Weibsbild im eigenen Saft schmoren, bis sie gar gekocht und bereit war, sich ihm auf jedes noch so kleine Versprechen hin in die Arme zu werfen. Jetzt, wo er sie festgesetzt hatte und beweisen konnte, dass sie kein Kastrat sondern nur eine gotteslästerliche Hexe war, würde della Rocca ihm keinen Wunsch mehr versagen. Ludovico stellte sich vor, wie er ihr vor dem zaudernden Bischof die Kleider herunterriss, und grinste sardonisch.
    Giulia mochte sich ja noch im Zaum halten, ihre Magd aber zitterte am ganzen Körper, und ihr Gesicht war so grau wie der abgetretene Fußboden. Die alte Vettel schien genau zu wissen, was die Stunde geschlagen hatte. Anders als die kleine Fassi, die sich so stark verändert hatte, dass sie nur jemand, der schon damals ihre Stimme vernommen hatte, mit dem kleinen Mädchen aus Saletto in Verbindung bringen konnte, hatte er die alte Assumpta auf den ersten Blick erkannt.
    Auf einmal wusste auch Assumpta, mit wem sie es zu tun hatten. »Ludovico! Ludovico Moloni, deine Mutter hätte dich nach deiner Geburt ersäufen sollen.«
    Diesmal ließ auch Giulia ihre Gelassenheit im Stich. Bei Assumptas Ausruf zuckte sie zusammen und starrte ihr höhnisch lachendes Gegenüber an. Ja, es war der ehemalige Solosänger des Knabenchors von San Ippolito di Saletto. Sie konnte sich nicht erinnern, ihm je wieder begegnet zu sein. Doch anscheinend hatte er sie und Assumpta irgendwann einmal erkannt und sie an die päpstlichen Behörden verraten.
    In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass es kein Entkommen mehr gab. Am Ende dieser Reise warteten das Gefängnis der Inquisition auf sie und der Scheiterhaufen, falls sie die Folter überleben sollte. Sie sah Flammen vor ihrem inneren Auge hochlodern und fühlte eine nie gekannte Schwäche. Unwillkürlich ballte sie die Fäuste. Solange sie noch ein Quäntchen Kraft besaß, würde der schmierige Verräter da vor ihr sie nicht mutlos sehen.
    Ludovico grinste Assumpta an. »Du kennst mich also doch noch, du alte Hexe. Nun, du wirst dich noch mehr an mich erinnern, wenn du in den Kerkern des Papstes verfaulst. Deine Strafe, Giulia Fassi, wird hingegen weitaus schlimmer sein. Ich kann bezeugen, dass du mich damals verhext hast, so dass ich vor der Zeit in den Stimmbruch geriet und nicht mehr singen konnte. Du bist schuld, dass ich heute nur ein kleiner Lakai bin und kein geachteter Signore, und dafür wirst du ebenfalls bezahlen. Ich werde dabei sein, wenn du dich in den Flammen windest, und jeden einzelnen Augenblick genießen.«
    Da Giulia nicht auf seine Worte einging, sondern ihn hochmütig anstarrte, trat er auf sie zu, um sie zu schütteln und zu schlagen, bis sie schrie. Doch dann dachte er an seine Befehle und ließ die Hände sinken, verärgert darüber, dass er seine Karten so voreilig aufgedeckt hatte. Es hätte weitaus mehr Spaß gemacht, mit ihr zu spielen, ihr Versprechungen zu machen und diese dann doch nicht zu halten. Jetzt hatte er die Chance vertan, sie freiwillig zu sich ins Bett zu bekommen. Gerade das aber hätte seinen Sieg vollkommen gemacht. Wütend wandte er sich ab und klopfte gegen die Tür, damit er ins Freie gelassen wurde. Draußen winkte er den Anführer der Reiter zu sich. »Sende einen Kurier zu Seiner Eminenz, dem Bischof della Rocca, damit dieser von der Gefangennahme Giuli …o Casamontes erfährt.« Ludovico hätte sich fast versprochen und Giulia Fassi gesagt. Doch della Roccas Befehl, dass niemand aus der Begleitmannschaft das wahre Geschlecht des Gefangenen erfahren dürfte, war auch für ihn bindend.

VIII .
    E s war Vincenzo aufgrund seiner Sprachkenntnisse gelungen, als Schreiber in den päpstlichen Behörden unterzukommen. Doch man gab ihm keine wirklich interessante Arbeit, sondern ließ ihn nur langweilige Steuer- und Inventarlisten kopieren. Die langen Arbeitszeiten machten ihm ebenso zu schaffen wie die anderen Schreiber, die ihn vom ersten Tag an schnitten. Seine Vorgesetzten stammten zumeist aus niedrigeren Schichten und schienen den Edelmann in ihm förmlich zu riechen. Daher schikanierten sie ihn mit Hingabe und waren mit nichts zufrieden, was er tat. Seine

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