Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Der Strohsack in der anderen Ecke verriet sich und sein ehrwürdiges Alter durch den Geruch, und die Tatsache, dass es auch noch eine Truhe gab, stellte Giulias Schienbein schmerzhaft fest.
    Als der Priester neben dem Fenster stehen blieb, konnte sie sehen, wie schmutzig seine Soutane war. An seiner Nase hing ein Tropfen, der nach einer Weile herabfiel und sofort einem neuen Platz machte.
    Der Priester zeigte mit dem dürren Zeigefinger seiner rechten Hand auf Giulia und sah Fassi beinahe angewidert an. »Ist dies der Knabe, um den es geht?«
    Giulia fand seine Stimme unangenehm knarzend.
    Ihr Vater nickte eifrig, verbeugte sich noch mehrmals und zog ein Blatt Papier unter seinem Wams hervor. »Das ist mein Sohn Giulio. Hier habe ich die Bestätigung des Barbiers und Chirurgen Francesco, genannt Dellarino aus Rocca, der die nötige Operation durchgeführt hat.« Er wollte dem Priester das gefälschte Attest reichen, doch dieser achtete nicht darauf.
    Giulia fand den Humor ihres Vaters etwas arg derb, denn er hatte den Namen des Abtes von San Ippolito di Saletto verballhornt und ihm dem nicht existierenden Barbier verliehen, der einen ebenfalls nicht existierenden Knaben namens Giulio Casamonte kastriert hatte.
    Der Priester setzte sich auf seinen Stuhl und balancierte dabei geschickt das fehlende Bein aus. »Wie seid Ihr eigentlich auf mich gekommen, Signore Casamonte? Schließlich ist bekannt, dass ich nicht gerade als Freund des Verschneidens von Knaben gelte. Wenn Gott gewollt hätte, dass es Kastraten gibt, hätte er sie selbst geschaffen und dieses Werk nicht den Messern irgendwelcher Stümper überlassen.«
    Diese Aussage ließ Giulia den Priester beinahe sympathisch werden. Ihr Vater hingegen schluckte sichtlich und schien fieberhaft nach einer Antwort zu suchen. »Wir sind fremd in Mantua, Don Giantolo, und wurden von unserem Herbergswirt, dem braven Toldino Bandi, an Euch verwiesen. Wir sind auf die Bestätigung eines angesehenen Kirchenmanns angewiesen, damit Giulio zu Ehren Gottes singen kann.«
    Der Priester murmelte etwas, was weder Giulia noch ihr Vater richtig verstanden, und warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Da es nun einmal geschehen ist, will ich es für euch tun. Zieh dich aus, mein Junge.«
    Giulia versteifte vor Entsetzen. Wenn sie sich jetzt entkleidete, würde Don Giantolo ihren Busen sehen, den Assumpta mit einem breiten Leinenstreifen flach gebunden hatte. Warum hatte ihr Vater sie nicht vor einem Jahr zu einem Priester bringen können, als sie oben herum noch halbwegs flach gewesen war?, fuhr es ihr durch den Kopf.
    Ihr Vater bemerkte ihre Verwirrung und versetzte ihr einen Rippenstoß. »Los, Giulio, zieh deine Hose herunter!«
    Zitternd vor Scham gehorchte das Mädchen. Sie wandte den beiden Männern dabei den Rücken zu, stöhnte aber dann unter dem harten Griff auf, mit dem ihr Vater sie wieder herumdrehte. Sein Gesicht wirkte bis aufs Äußerste angespannt, und seine flackernden Augen sogen sich an ihrem nackten Unterkörper fest. Fast hoffte Giulia, der Priester würde den Betrug bemerken, so sehr ekelte sie sich in diesem Moment vor ihrem Vater.
    Don Giantolo warf jedoch nur einen kurzen Blick auf das verschrumpelte Ding, das Assumpta ihr angeklebt hatte, und bemerkte zutreffenderweise, dass die Hoden fehlen würden.
    »Möge Gott gnädiger mit dir sein, als dein Vater es war, mein Sohn«, sagte er freundlich und forderte sie auf, sich wieder anzuziehen. Dann wandte er sich ab, um ein Pergament für die Bescheinigung hervorzukramen.
    Giulia zog die Hose so rasch hoch, dass der künstliche Penis abriss. Es tat fürchterlich weh, doch war der Schmerz harmlos gegen die Qualen, in denen ihre Seele sich wand. Kurz darauf war der Priester fertig und reichte Girolamo Fassi-Casamonte das begehrte Schreiben.
    Giulias Vater warf einen kurzen Blick darauf und steckte es mit triumphierender Miene ein. Mit dieser Bestätigung konnte er seine Tochter in jeder Kirche der katholischen Christenheit als Kastratensänger auftreten lassen. Es hatte ihn viel Mühe gekostet, einen Priester zu finden, dem er das Mädchen als angeblich verschnittenen Knaben unterschieben konnte. Don Giantolo war nicht nur halb blind, sondern sah es auch als Sünde an, einen Knaben zu berühren, selbst wenn es ein Kastrat war. Andere Priester hätten hingegen ihr Geschlecht abgetastet, um die Kastrationsnarbe zu begutachten. »Ich danke Euch, ehrwürdiger Vater«, erklärte er zufrieden. »Ihr habt damit den

Weitere Kostenlose Bücher