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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Herzenswunsch meines seligen Weibes erfüllt, die unseren Sohn zur Ehre Gottes in den geweihten Kirchen singen hören wollte.«
    Giulia kniff die Lippen zusammen, als ihre Mutter so leichthin verleumdet wurde. Sie singen zu hören, wäre das Letzte gewesen, was sich Maria Fassi gewünscht hätte. Ihrem Vater schien die Lüge nicht das Geringste auszumachen. Er zog seine Börse und reichte dem Priester gönnerhaft mehrere Scudi.
    Don Giantolo starrte indigniert auf die Silbermünzen und schüttelte heftig den Kopf. »Für so etwas nehme ich kein Geld!« Es sah schon aus, als wollte er seine Besucher unhöflich rasch verabschieden, doch da wandte er sich noch einmal an Giulia. »Bevor du gehst, will ich doch hören, ob deine Stimme dieses Opfer wert war. Singe das Ave-Maria.«
    Fassi-Casamonte gab seiner Tochter einen aufmunternden Stoß. »Mache dem ehrwürdigen Vater die Freude.«
    Giulia schluckte und versuchte, ihre schwirrenden Gedanken so weit zu beruhigen, dass sie sich an den Text und die Melodie des Gebetes erinnern konnte. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich weit genug gefangen hatte. Ihr Vater wurde schon sichtlich nervös, während der Priester ihr begütigend zulächelte. Mit einem Mal wich der Klumpen in ihrem Hals, und sie holte tief Luft. Eigentlich hatte sie nicht laut singen wollen, doch nun wurde das Zimmer zu eng für die süßen, eindringlichen Töne.
    Don Giantolo schien den Klang ihrer Stimme in sich aufsaugen zu wollen, so andächtig lauschte er. Als sie endete, räusperte er sich ein paarmal, ehe er zum Sprechen ansetzte. »Deine Stimme ist wirklich göttlich, mein Sohn.«
    Er rang die Hände, als müsse er mit sich selbst einen Kampf ausfechten. Dann sah er Giulias Vater beinahe entschuldigend an. »Wenn Ihr mir wirklich danken wollt, so lasst Euren Sohn an diesem Sonntag in meiner Kirche die Messe singen.«
    »Aber selbstverständlich, Hochwürden.« Fassi-Casamonte war sichtlich erleichtert, so billig davongekommen zu sein. Er verabschiedete sich überschwänglich von Don Giantolo und verließ den düsteren Raum wie auf Schwingen. Giulias Bewegungen glichen dagegen denen einer hölzernen Kinderpuppe, und so fühlte sie sich auch.

II .
    A ls sie in die Herberge zurückkehrten, in der sie derzeit wohnten, stürzte Giulia auf ihr Zimmer und warf sich weinend aufs Bett. Assumpta folgte ihr, schloss die Türe hinter sich ab und setzte sich neben sie. »Was hast du denn, mein Kleines?«
    Giulia starrte die Dienerin mit weit aufgerissenen Augen an. »Es war so ekelhaft, so entwürdigend!«
    Assumpta sah sie entsetzt an. »Hat der Priester Verdacht geschöpft?«
    »Nein, nein. Er hat ja kaum hingesehen. Ich meine nicht ihn, sondern Vater. Als ich mich ausziehen musste, hat er meine Nacktheit so seltsam angestarrt, dass es mich vor ihm grauste.«
    Assumpta sog scharf die Luft ein. »Seine Blicke folgen dir schon, seit du zur Frau erblüht bist, mein Kind. Dein Vater ist ja früher oft auf Reisen gegangen, und Beppo musste ihn als Kammerdiener begleiten. Dabei hat mein Alter so einiges mitbekommen und es mir treu und brav weitererzählt. Dein Vater ist unterwegs regelmäßig in gewisse Häuser gegangen, um sich mit käuflichen Frauen zu vergnügen. Bei ihnen hat er della Roccas Geld mit vollen Händen ausgegeben. Nun ist seine Kasse so gut wie leer, und er kann sich noch nicht einmal mehr eine billige Straßendirne leisten. Ein böser Dämon muss ihm wohl ins Ohr geflüstert haben, dass du ja eine mannbare Frau bist, und seitdem hegt er sehr schlechte Gedanken.«
    Giulia konnte kaum fassen, was ihr die Dienerin erzählte. Hilflos sah sie sich in der kleinen, engen Kammer um, in der gerade genug Platz für das Bett und ihre Kleidertruhe war. Die kahlen, schmucklosen Wände waren wohl einmal weiß gewesen, hatten sich im Lauf der Jahre jedoch braun und grau verfärbt. Der Putz bröckelte, und an einigen Stellen konnte man schon den nackten Stein erkennen, aus dem das Haus erbaut worden war.
    Früher hatten sie tatsächlich besser gewohnt als in der letzten Zeit. Nun wunderte sich Giulia nicht mehr, warum ihr Vater sie unbedingt auftreten lassen wollte, obwohl sie mit ihren gerade mal sechzehn Jahren noch als Knabe gelten konnte. Im diesem Augenblick wünschte sie selbst, genug Geld verdienen zu können, damit ihr Vater wieder zu den Kurtisanen gehen konnte und sie mit seinen aufdringlichen Blicken verschonte.
    Assumpta drückte Giulia an sich. »Es ist eine große Sünde, wenn ein Vater seine

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