Die Kastratin
den Gastgebern und verließen zornglühend den Palazzo.
VIII .
G iulia war viel zu erschöpft, um ihren Triumph genießen zu können. Zudem begann sie sich andere Sorgen zu machen, denn schon am nächsten Abend kam Paolo auf sie zu und forderte sie auf, einer jungen Frau eine Nachricht von ihm zu übergeben. Sie fand keine Gelegenheit, ihn zu fragen, ob Isabella Brazzone seine Avancen abgewiesen hatte, nahm es aber als gegeben an und überbrachte sein Billett einer üppigen Rothaarigen, die keine Ähnlichkeit mit der kindhaften Isabella aufwies.
Als Paolo sie nur vier Tage später bat, wieder einer anderen Frau ein Brieflein zu überreichen, musste sie sich eingestehen, dass es mit seiner Moral wohl nicht zum Besten stand. Sie nahm sich vor, ihm in der nächsten Zeit aus dem Weg zu gehen, um nicht die Helfershelferin bei seinen sündhaften Abenteuern spielen zu müssen. Es lag ihr schon schwer genug auf der Seele, dass sie bei der Beichte in Don Giantolos Kirche ihr Geheimnis und all seine Folgen für sich behalten musste. Doch es gelang ihr nicht, die Begegnung mit Paolo zu vermeiden, denn er war beinahe in allen Häusern, in die sie gerufen wurde, zu Gast.
Zwischen dem Bestreben, ihre Auftraggeber zufrieden zu stellen, und ihrer Angst vor Entdeckung hin und her gerissen, brauchte Giulia ihre ganze Nervenkraft, um ihre Auftritte durchzustehen. Tagsüber fand sie kaum zur Ruhe, da sie sich immer sorgfältig auf die Abende vorbereitete, und des Nachts, wenn sie in ihrem Bett lag, durchlebte sie regelmäßig qualvolle Albträume.
In einem sah sie sich selbst im Chorgestühl stehen und singen, während ein Junge, der dem Solosänger Ludovico Moloni aus Saletto glich, ihr zuschrie, sie sei ein Mädchen und müsse für diese Sünde als Hexe verbrannt werden. Oft wurde dieser Traum so beängstigend stark, dass sie die Flammen des Scheiterhaufens um sich auflodern sah und die sengende Hitze sich schon in ihre Haut hineinfraß, während die Menschen ringsum Hexe! Hexe! schrien und der Teufel bereits nach ihrer Seele griff. Zuletzt ging das Schreckensszenario sogar so weit, dass sie die glühenden Zangen der Höllendämonen in ihrem Leib zu spüren glaubte.
Giulia hatte sich schon den ganzen Tag über nicht wohl gefühlt und den Auftritt am Abend nur mit letzter Kraft durchgehalten. Aber nachdem sie aus diesem Albtraum hochgeschreckt war, wagte sie es nicht mehr einzuschlafen. Sie lauschte den lauten Stimmen der Zecher, die aus der Schankstube heraufdrangen, und wünschte sich, wieder zu Hause in Saletto zu sein, wo das Leben trotz mancher Schwierigkeiten und Kümmernisse noch schöne Tage für sie gehabt hatte. Als es um sie herum still wurde, übermannte sie doch noch ein unruhiger, von wirren Traumbildern geplagter Schlaf.
Am Morgen fühlte sie sich dann wie zerschlagen. Gleichzeitig spürte sie eine unangenehme Feuchtigkeit an ihren Schenkeln. Sie schreckte hoch, schlug die Decke beiseite und starrte mit wachsendem Entsetzen auf ihr blutverschmiertes Hemd. Sie musste nicht einmal aufstehen, um zu wissen, dass auch das Laken große, rote Flecken aufwies. Es war nicht ihre erste Monatsblutung, doch bisher hatte sie noch nie die Zeit dafür übersehen.
Für einige Augenblicke war Giulia wie gelähmt. Jetzt ist es aus, schoss es ihr durch den Kopf. Jetzt würden alle erfahren, dass sie eine Schwindlerin war, und sie vor das Kirchengericht schleppen. In ihrem Kopf hallte noch das grauenhafte Geschrei aus ihrem Albtraum nach, und sie glaubte den Teufel schon lachen zu hören. Es dauerte eine Weile, bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie aus dem Bett steigen und an die Wand klopfen konnte, hinter der Assumptas und Beppos Zimmer lag.
Die Dienerin kam sofort herüber. Wenn sie sich wunderte, warum Giulia ihr erst die Tür öffnete, nachdem sie ihre Stimme vernommen hatte, so zeigte sie es nicht. Sie blieb mitten im Raum stehen, stemmte die Arme in die Hüften und blickte kopfschüttelnd auf die Bescherung. Als Giulia zu weinen begann, nahm sie sie in die Arme und versuchte, sie zu trösten. »Es tut mir Leid, Kätzchen, aber ich habe auch nicht daran gedacht, dass es bei dir schon wieder so weit ist. Ich hole dir jetzt Wasser, damit du dich waschen kannst, und frische Binden. Schließe aber hinter mir zu, damit die neugierige Wirtsmagd nicht hereinplatzt.«
Giulia nickte und wies dabei auf das befleckte Laken. »Das da werden wir nicht verbergen können.«
»Und ob wir das können«, antwortete Assumpta
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