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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Anblick atmete er sichtlich auf. »Was habe ich da gehört? Du bist tatsächlich zu einem Festabend gerufen worden? Ich hoffe, es hat sich gelohnt.«
    Er riss Giulia die Börse aus der Hand und wollte sie sofort öffnen. Giulia sah, dass er angetrunken und daher noch unbeherrschter war als sonst. Sie legte die Hand auf den Beutel. »Nicht hier in der Gaststube, Vater. Oder willst du alle Leute darauf aufmerksam machen? Es wäre doch schade, wenn das Geld gestohlen würde.«
    Ihr Vater steckte den Beutel zu sich und rief nach frischem Wein. Giulia wechselte einen kurzen Blick mit Beppo. Der verstand, dass er nun auf seinen Herrn aufpassen sollte, und ließ sich ihm gegenüber auf der Bank nieder. Giulia wünschte ihrem Vater noch eine gute Nacht und stieg erschöpft die Treppe hoch. Jetzt dachte sie nur noch an ihr Bett.

VII .
    D er Festabend bei Cesare Rioli blieb nicht die einzige Einladung. Es war, als wollte sich jedes der vornehmen Häuser von Mantua wenigstens an einem Abend mit der Stimme des jungen Kastraten schmücken, der wie aus dem Nichts in der Stadt aufgetaucht war und besonders die Herzen der älteren Damen rührte. Giulia traf bei den Einladungen beinahe jedes Mal auf Paolo Gonzaga, der sie deutlich fühlen ließ, dass er sich für ihren Entdecker und Förderer hielt.
    Lieber als Gonzaga hätte sie Vincenzo de la Torre wiedergesehen, um mit ihm über ihren Gesang und besonders über den berühmten Belloni zu sprechen, denn bisher hatte sie noch keinen echten Kastraten kennen gelernt. Doch Vincenzo tauchte nirgends mehr auf. Sie genierte sich, nach ihm zu fragen, und so erfuhr sie erst später durch Zufall, dass er Mantua längst verlassen hatte. Sie empfand es ein wenig als Verlust, denn außer ihrem Vater gab es niemand, mit dem sie über Musik reden konnte. Doch Girolamo Casamonte hatte sich nie sonderlich für andere Künstler interessiert und wusste nicht viel über sie zu berichten. Daher musste Giulia allein mit ihrer Unsicherheit und den launenhaft wechselnden Anforderungen ihrer Auftraggeber fertig werden.
    Die feine Gesellschaft Mantuas war bemüht, sich in der Attraktivität der jeweiligen Festlichkeiten gegenseitig zu übertreffen. Auch Paolos Eltern und seine Tante machten hier keine Ausnahme. Coelia Morri galt als große Musikliebhaberin und tat alles, um diesen Ruf zu festigen. Für sie war es selbstverständlich, dass Giulio Casamonte bei den Abendgesellschaften im Palazzo ihres Schwagers auftrat. Für ihr nächstes Fest hatte sie sich jedoch etwas Besonderes ausgedacht.
    Als Giulia an diesem Morgen in Batista Gonzagas Haus gerufen wurde, warteten dort außer dessen Schwägerin vier Männer unterschiedlichen Alters auf sie. Obwohl der Älteste die doppelte Lebensspanne des Jüngsten übertraf, waren alle übertrieben modisch gekleidet und prunkten mit einer Fülle von Farben, so dass Giulia sich nun wie ein Rebhuhn unter Fasanen vorkam. Sie unterhielten sich eifrig mit der Gastgeberin und ignorierten Giulia, bis Coelia Morri sie ansprach. »Willkommen, Casamonte. Darf ich Euch die Herrn Grinzoni, Arelli, Cuscio und Zampa vorstellen? Jeder von ihnen ist ein Mitglied der herzoglichen Hof-kapelle und ein großer Sänger.«
    Giulia verbeugte sich pflichtschuldig. Ihre höfliche Geste wurde von den Herren jedoch nur mit einem äußerst knappen Kopf-nicken beantwortet. »Das ist also dieser Kastrat, der mit uns singen soll«, warf einer der vier, von dem Giulia annahm, dass es Arelli war, mit einer dröhnenden Bassstimme ein.
    Coelia Morri lächelte zufrieden. »Ihr sagt es, Signore. Dies ist Casamonte, der Mantua in den letzten Monaten wie im Sturm erobert hat.«
    Der Sänger zuckte verächtlich mit den Schultern. »Am Hofe des Herzogs hat man aber bis jetzt noch nichts von ihm gehört.«
    »Nun, man weiß, dass unser Verwandter Guglielmo manchmal, sagen wir ruhig, ein wenig eigenbrötlerisch lebt. Das liegt wohl an seiner körperlichen Beeinträchtigung.« Coelia Morri spielte damit auf den Buckel des Herzogs an und unterstrich gleichzeitig ihre Verwandtschaft mit dem Herzog, um den sichtlich widerstrebenden Sängern zu imponieren. Deren Mienen wurden auch sofort dienstbeflissener.
    Grinzoni verbeugte sich tief. »Wir sind selbstverständlich bereit, uns diesen Verschnittenen einmal anzuhören.«
    »Allerdings werden wir uns erst danach entscheiden, ob wir Eurem Wunsch entsprechen können«, schränkte Zampa diese halbe Zusage sofort wieder ein.
    Giulia hatte noch nie so ein hochmütiges

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