Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Zustimmung ihrer Zuhörer wahr und wunderte sich über Gonzagas eher zufriedenes als erstauntes Gesicht. Sie begnügte sich jedoch nicht damit, den französischen Text vorzutragen, sondern forderte, als der Beifall abgeklungen war, ihre Begleiterin auf, noch einmal von vorne zu beginnen. Diesmal sang sie das Lied auf Italienisch und rief damit die Gäste zu wahren Begeisterungsstürmen hin.
    Als die letzten Takte verklungen waren, klatschte ihr Auftraggeber frenetisch und ließ alle wissen, dass Giulio Casamonte einfach unvergleichlich sei.
    In dem Moment packte Giulia der Übermut. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass sich Paolo Gonzaga von einem Diener ein volles Glas Wein reichen ließ. Als er es zum Mund führte, stimmte sie einen hellen, durchdringenden Ton an. Die Menschen in ihrer Nähe verzogen erschrocken die Gesichter, und im selben Augenblick zerbarst das Glas in Paolo Gonzagas Hand in tausend Stücke.
    Giulia war während ihrer Ausbildung durch Zufall darauf gekommen, wie man Gläser durch einen besonders hohen Ton zerspringen lassen kann, und hatte dies noch ein paarmal geübt, ohne es jedoch bisher vor Publikum zu zeigen. Heute hatte Paolo sie herausgefordert und nun die Rechnung dafür erhalten.
    Der junge Gonzaga starrte auf den Rest des Glases, den er noch immer in der Hand hielt, während ihm ein Diener die Weinspritzer von seinem magentafarbenen Wams tupfte. Auch ihr Gastgeber sah entgeistert auf die Bescherung und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. »Ihr hättet warten sollen, bis das Glas leer ist. So wurde Herrn Paolos Kleidung ruiniert«, tadelte er Giulia schließlich sanft.
    Paolo Gonzaga hob mit einem kurzen, scharfen Lachen die Hand. »Es ist nicht der Rede wert, Signore Mareschi. Das Wams entspricht ohnehin nicht mehr ganz der herrschenden Mode, und ich wollte mir schon einige neue Gewänder nach spanischer Art anfertigen lassen.«
    »Bist du sicher, dass spanische Kleidung jetzt in Mode kommt?«, rief ein junger Mann, der das besondere Privileg genoss, Paolo Gonzaga duzen zu dürfen.
    Paolo nickte und reichte einem um ihn herumwieselnden Diener den Rest des Glases. »Ich bin mir so sicher, dass ich meinen Schneider schon beauftragt habe, sich Modekupfer aus Madrid kommen zu lassen und mir einige Entwürfe vorzulegen.«
    Er wandte sich Giulia mit einem Lächeln zu, das mehr wie ein Zähneblecken wirkte. »Auch Ihr, Signore Casamonte, solltet Euch nach spanischer Art kleiden, wenn Ihr auf der Höhe der Mode bleiben wollt.«
    »Ich werde Euren Rat in Erwägung ziehen.« Giulias Antwort fiel recht kühl aus, da er ihren kleinen Triumph mit seinem Gerede über Mode verwässert hatte. Dennoch wurde ihr Auftritt ein voller Erfolg, denn der Gastgeber ließ ihr mehr als die vereinbarte Summe auszahlen. Als sie wieder in der Kutsche saß, die sie nach Mantua zurückbrachte, sah sie recht zufrieden zu, wie ihr Vater die Scudis zählte. Diesmal fand auch Girolamo Casamonte wenig an dem Aufenthalt auszusetzen. Die Dienerschaft hatte ihn nämlich mit Wein und einem guten Essen versorgt und dabei Giulios Künste überschwänglich gelobt. Mehrmals versicherte er ihr, jetzt habe sie endlich ihren Weg gemacht, und er begann, ihrer beider Zukunft in rosaroten Farben auszumalen.

X .
    D a immer wieder Boten aus herrschaftlichen Häusern erschienen, um Giulio Casamonte aufzusuchen, empfand Girolamo Casamonte ihre jetzige Herberge als nicht mehr standesgemäß. Er beschloss daher, in eine vornehmere Unterkunft umzuziehen, und machte sich auf die Suche. Das Goldene Lamm in der Via Aperta erschien ihm am besten geeignet. Da er nichts von seinem Entschluss hatte verlauten lassen, wurde Giulia eines Morgens von seiner Aufforderung überrascht, ihre Sachen zu packen und die schäbige Herberge zu verlassen.
    Sie war nicht unglücklich darüber, denn die Wirtin war ihr mit ihrer Neugier langsam auf die Nerven gegangen. Auch Assumpta atmete erleichtert auf. Sie hatte mit der Wirtin und ihrem Personal manch harten Strauß ausfechten müssen, um Giulia gut versorgen zu können, und war zuletzt sogar schon angegiftet worden, wenn sie nur das Haus betrat.
    Die Zimmer im Goldenen Lamm waren groß und luftig und besaßen neben bequemen Betten und einem geräumigen Schrank sogar noch einen Tisch und einen Stuhl, so dass Giulia sich nicht mehr auf die Bettkante setzen musste, wenn sie Noten lernen wollte. Assumpta und Beppo schlugen nach einem Blick in ihr eigenes Zimmer ein übers andere Mal vor Staunen die

Weitere Kostenlose Bücher