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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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verhehlten weder ihre Verachtung für einen Kastraten noch ihren Neid wegen der größeren Spannbreite seiner Stimme und behandelten sie wie einen Aussätzigen.
    Daher war Giulia froh, als sie die letzte Probe hinter sich gebracht hatte und nur noch der Abend der Aufführung vor ihr lag. Hier spielten die Sänger den letzten Trumpf aus, den sie im Ärmel hatten. Dank ihrer guten Einnahmen konnten sie sich in einer Art und Weise kleiden, die Giulias azurblaues Wams stumpf und ärmlich erscheinen ließ. Sie bemerkte es sofort, unterdrückte jedoch ihren Ärger und nahm sich vor, sich durch nichts beeinflussen zu lassen. Sie brachte es fertig, die Hofsänger mit freundlicher Miene zu begrüßen und einen leichtfüßigen Diener vor Coelia Morri und dem Gastgeber zu machen.
    An diesem Abend mied Paolo Gonzaga ihre Gegenwart so auffällig, dass Giulia sich wunderte. Sie wusste nicht, dass er seinen aufmerksamen Eltern keinen neuen Anlass zur Besorgnis geben wollte. Auch wenn Batista und Giudetta Gonzaga ihren Sohn wegen seiner häufigen Liebesaffären heftig schalten, so war das noch irgendwie mit Gott und der Kirche zu vereinbaren. Immerhin hatten ja auch große Männer wie die Könige David und Salomon nicht vor den Ehefrauen anderer Männer Halt gemacht. Der Verdacht, Paolo könne sich so weit verirren, einen Kastraten zu begehren, so hübsch er auch sein mochte, hätte sie zum sofortigen Handeln gezwungen. Paolo wollte jedoch weder zu den Soldaten noch für ein paar Jahre in ein Kloster gesteckt werden, wie es sein Vater ihm wieder einmal in einem Anflug heftigsten Zorns angedroht hatte.
    Jetzt, wo er mit dem Kastraten Casamonte einen Postillon d’Amour gewonnen hatte, der über jeden Verdacht erhaben mit den Töchtern und Gattinnen seiner Gastgeber verkehren konnte, wollte er das Leben in vollen Zügen genießen. Mittlerweile war er die Affäre mit Isabella Brazzone leid geworden, zumal die junge Frau immer öfters von Heirat sprach. Doch dafür besaß sie weder die Verbindungen noch die Mitgift, die ihn zufrieden stellen hätten können. Also musste er sich ein neues Opfer suchen.
    Während die Gäste seines Vaters gespannt auf den angekündigten Choral warteten, dachte Paolo darüber nach, welche Tochter oder Ehefrau dieser Herrschaften für ihn in Frage kam. Während er noch die Schönheiten ringsum musterte, winkte seine Tante ihn zu sich und erwies ihm die Ehre, sich auf den Stuhl zu ihrer Rechten setzen zu dürfen. »Nun, ich bin gespannt, wie die Sänger mit Casamonte harmonieren werden«, raunte Coelia Morri ihm zu.
    Paolo deutete lachend auf die fünf Sänger. »Ich hoffe, besser als in der Kleidung. Mein Gott, der arme Casamonte wirkt gegen diese Pfauen ja so schlicht wie eine Taube.«
    »Pfauen und Tauben sind ein schlechter Vergleich, denn beide sind keine guten Sänger«, wandte seine Tante ein. »Nun ja, wer weiß, vielleicht entpuppt sich Casamonte als Nachtigall unter Lerchen. Ich würde es ihm vergönnen.«
    Zu mehr kam sie jedoch nicht, denn Grinzoni verbeugte sich und forderte ihre Aufmerksamkeit.
    Grinzoni besaß einen Bariton von großer Klangfülle, der hier im Salon besonders gut zum Tragen kam. Als schließlich seine Freunde nacheinander in den Choral einstimmten, beglückwünschten die meisten Gäste Coelia Morri zu ihrem Entschluss, die Hofsänger des Herzogs für diesen besonderen Abend zu engagieren. Alle waren jedoch darauf gespannt, wie sich der junge Kastrat unter diesen erfahrenen Künstlern behaupten würde. Die meisten kannten Casamonte bereits oder hatten von ihm gehört. Doch kaum einer traute ihm zu, hier zu brillieren.
    Giulia wusste, sie würde an diesem Abend alles geben müssen, und sie war dazu bereit. Neidlos akzeptierte sie die Fertigkeiten der anderen Sänger, ohne sich davon ins Bockshorn jagen zu lassen. Als ihr Einsatz kam, trat sie vor und ließ ihre Stimme erklingen.
    Die Anwesenden starrten sie mit weit aufgerissenen Augen an. Keiner konnte sich erinnern, Casamonte je so gut singen gehört zu haben. Die vier Hofsänger hatten sich bereits geärgert, weil es ihnen misslungen war, den Kastraten von der Teilnahme an dem Konzert abzuhalten. Jetzt verschlug ihnen der Neid beinahe die Stimmen. Nur mühsam gelang es ihnen, den Choral ohne große Probleme durchzustehen, und am Ende mussten sie erleben, dass die Glückwünsche, welche Coelia Morri und andere Gäste aussprachen, beinahe ausschließlich Casamonte galten. Die vier Männer verneigten sich mit steifen Rücken vor

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