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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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in Mantua je noch ein Engagement anbieten. »Wenn Ihr mir bitte folgen würdet.« Die Stimme des Dieners klang leicht ungeduldig, aber freundlich.
    Er führte sie an der Vorderfront des mächtigen Baus entlang bis zu einer Seitenpforte und hielt ihr dort die Tür auf. Das Innere des Palasts verschlug Giulia beinahe den Atem. Sie hatte schon viel von der Pracht der herzoglichen Residenz gehört, sich aber nicht vorstellen können, wie aufwändig sie innen gestaltet war. Selbst im Dienertrakt, den sie zuerst passierte, waren Wände und Decken mit kunstvollen Bildern bemalt, und sie begegnete überall Statuen, die heidnische Helden und Götter oder christliche Heilige darstellten. Alle wirkten so lebensecht, als hätte ein böser Zauber Menschen in der Blüte ihres Lebens in Stein verwandelt. Giulia wunderte sich nicht wenig, denn viele der Gestalten waren völlig nackt, sowohl Männer wie Frauen. Sogar einige Heilige, deren Legenden in Saletto schon den Kindern beigebracht wurden, unterschieden sich nur durch die Symbole ihres Märtyrertums von den heidnischen Götzen.
    Der Diener führte Giulia in gemächlichem Tempo durch die Korridore und Hallen und blieb schließlich vor einem goldfunkelnden Portal stehen. Ein Mann, der weniger einem Lakai als einem Höfling glich, kam auf sie zu und forderte ihr die Einladung ab. Er warf einen kurzen Blick darauf und klatschte dann in die Hände. Die beiden Flügel des Tores schwangen wie von selbst auf, und Giulia blickte in einen eher kleinen, aber atemberaubend prachtvollen Raum. »Das ist die Camera degli Sposi«, raunte ihr ihr bisheriger Führer mit sichtlicher Ehrfurcht zu.
    Giulia hatte schon etliche Leute von diesem Raum schwärmen hören, aber nie erwartet, ihn je betreten zu dürfen. Ihre Augen saugten sich förmlich an den herrlichen Fresken fest, welche die Herzöge aus dem Haus Gonzaga und deren Familienmitglieder in lebensechten Posen darstellten. Sie weilte lange genug in Mantua, um die meisten der dargestellten Herrscher zu erkennen. In früheren Zeiten waren die Gonzaga noch keine Herzöge gewesen, sondern hatten Mantua als Markgrafen der deutschen Kaiser regiert und sich oft mit den Adelshäusern nördlich der Alpen verschwägert. Giulia fiel das Bild ins Auge, welches den Markgrafen Ludovico, seine Gemahlin Barbara von Brandenburg, ihre Kinder und ihren Hofstaat darstellte, bei dem sogar der zwergenhafte Hofnarr nicht fehlte. Unwillkürlich dachte Giulia, dass der jetzige Herzog trotz eines entstellenden Buckels sogar in noch höhere Kreise eingeheiratet hatte. Seine Ehefrau war Prinzessin Eleonore, eine Tochter Kaiser Ferdinands und Schwester des derzeit regierenden Kaisers Maximilian  II . Von ihr und ihrem Gemahl schien es noch kein Bild zu geben.
    Während sie sich noch ganz selbstvergessen nach einem Abbild der kaiserlichen Dame umsah, vernahm sie ein tadelndes Räuspern und bemerkte erst in dem Moment, dass sie sich nicht allein in dem Raum befand. An der Schmalseite saß ein jüngerer Mann in prachtvoller, ganz in Gold und Weiß gehaltener Kleidung und einem Barett mit roten Reiherfedern auf dem Kopf tief in einem gepolsterten Sessel, den Arm auf die Lehne gestützt, und blickte nachdenklich in die Runde. Obwohl Giulia Herzog Guglielmo nur ein paarmal von weitem gesehen hatte und die nach vorne gezogene Lehne seinen Buckel verbarg, erkannte sie ihn sofort. Seine Gemahlin war leider nicht zu sehen. Dafür hatte einen Schritt hinter ihm eine ältere Dame Platz genommen, die sich mit einem dunklen, pelzbesetzten Überkleid gegen die Abendkühle schützte. Die schwarze Haube und der gleichfarbige Schleier deuteten darauf hin, dass es sich um eine adlige Witwe handelte.
    Etwas seitwärts hinter dem Herzog standen drei Männer in weniger prunkvollen Kleidern. Die Musikinstrumente in ihren Händen wiesen sie als Gonzagas Hofmusiker und -komponisten aus. Das waren die Leute, deren Bekanntschaft ihr Vater hätte suchen müssen, auch wenn dabei das eine oder andere Dukatenstück in deren Hände gewandert wäre, dachte Giulia mit einer gewissen Bitterkeit. Sie folgte unwillkürlich den Blicken der drei Musiker und entdeckte ihre beiden Konkurrenten am anderen Ende des Raumes.
    Belloni wirkte auch heute wie die Karikatur eines Menschen. Sein Gesicht strahlte jedoch eine sanfte Ruhe aus, die wohl niemanden in seiner Gegenwart unberührt lassen konnte. So, wie er sich gab, schien er sich seines Wertes und seines Könnens absolut sicher zu sein. Er protzte auch nicht

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