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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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zu dem verhängnisvollen Ausflug aufgebrochen waren und niemals zurückkehrten. Von ihnen war nur eine Inschrift geblieben. Nur die Namen – ja nicht einmal ein »verschollen« als Zusatz. Keine Geschichten oder Legenden, lediglich ein paar geflüsterte Gerüchte von den Studenten. Und dieses verdammt große Schweigen von allen Offiziellen am College.
    Katie zog Sebastiens Foto aus der Hosentasche und betrachtete es. Es war eine großformatige Porträtaufnahme, die seine Mutter an seinem sechzehnten Geburtstag hatte machen lassen. Sie hatte sie geklaut, als sie ihn zum ersten und einzigen Mal in dieser riesenhaften Villa in Georgetown besucht hatte. Es stand auf einer Kommode in der Empfangshalle und Katie hatte es einfach mitgenommen.
    Sie wusste nicht mehr, wann sie sich angewöhnt hatte, Gespräche mit Sebastien zu führen. Es war nur ein Foto – klar, aber es gab ihr das Gefühl, nicht so entsetzlich allein zu sein. Ihre Entscheidungen nicht einsam treffen zu müssen.
    Katie sah sich um und griff nach ihrem Handy.
    Das Telefon am anderen Ende klingelte dreimal, bis ihr Anruf entgegengenommen wurde.
    »Du hast recht«, sagte Katie. »Dieses Wochenende ist perfekt.«

    Als sie nur eine halbe Stunde später an der einzigen Stelle am Seeufer anlangte, die zum Schwimmen freigegeben war, traf sie lediglich auf Chris, der auf einer Decke lag, die Sonnenbrille über dem Gesicht. In den Ohren steckten die Stöpsel von Kopfhörern. Das neueste iPod-Modell lag auf seinem nackten Oberkörper. Chris sah gut aus, für Katies Geschmack ein bisschen zu gut. Und er wusste es. Nur deswegen trug er diese Jeans mit den gewollten, vermutlich am Computer entworfenen Rissen und Löchern. Es handelte sich ohne Zweifel um irgendein Designerteil aus einem sau-teuren Internetshop. Aber Katie war sich nicht sicher, ob Chris sich wirklich leisten konnte, dort einzukaufen. Woher dieses Gefühl kam, konnte sie sich nicht erklären, aber irgendwie spürte sie es.
    »Hey, Chris.« Sie nickte knapp und sah sich um.
    Der Strand hatte die Länge von zwei Footballfeldern – auch wenn er nicht ganz so breit war. Jenseits des Sandstreifens verlief der Uferweg, der hier noch asphaltiert war und von vielen Studenten als Joggingstrecke genutzt wurde. Wie erwartet waren nicht nur sie auf die Idee gekommen, ein Picknick zu veranstalten. Überall tummelten sich Gruppen von Studenten, Grills wurden angezündet. Katie entdeckte ein paar Mädchen aus ihrem Jahrgang, die in knappen Bikinis Beachvolleyball spielten.
    »Wo sind die anderen?« Katie wandte sich wieder Chris zu.
    »David und Robert versenken gerade den Cooler mit den Getränken im See, Benjamin treibt sich mit seiner Kamera hier irgendwo herum und die Mädels sind noch im Supermarkt.« Er schob die Sonnenbrille auf die Stirn und schaute sie an. »Julia hat erzählt, du hattest eine Auseinandersetzung mit Mr Forster.«
    »Julia sollte besser ihre Klappe halten.«
    »Sie erzählt mir nun mal alles.«
    Katie ließ sich in den Sand fallen. »Bist du dir da sicher?«
    Ein müder Blick aus seinen grauen Augen traf sie. »Versuch nicht, einen Keil zwischen uns zu treiben.«
    Er wollte so gerne gleichgültig klingen, aber Katie hörte den ärgerlichen Unterton heraus.
    »Keine Sorge, noch glaubt sie fest an dich.«
    Sie beobachtete, wie Robert und David am Ufer auftauchten, gefolgt von Benjamin, der wie immer sein Gesicht hinter seiner Kamera verbarg.
    Bei ihnen angekommen, ließ David sich neben Katie in den Sand fallen und reichte ihr eine Einliterflasche Seven Up.
    »Da ist nicht wirklich Seven Up drin, oder?«, fragte sie misstrauisch.
    David grinste. »Wenn man O’Connor aus dem dritten Jahr glauben darf, nicht. Erstklassiger Pinot Grigot, Nappa Valley.«
    Katie stöhnte. »Hört sich für mich nach Kopfschmerzen an. Ist er wenigstens kalt?«
    »So kalt, wie unser Kühlschrank es heute erlaubt.« David sah sich zu Robert um. »Was meinst du, Rob, wie viel Grad hat das Wasser?«
    Inzwischen hatten sie akzeptiert, dass das Wasser des Sees nichts mit den Außentemperaturen zu tun hatte – der Gletschersee schien seinen eigenen Regeln zu folgen. Manchmal war er so warm, dass man eher an Florida denken musste als an Kanada. »Fünfzehn Grad. Mehr nicht.«
    »War ja klar«, murmelte Chris. »Bei der Hitze seit Wochen ist das auch total logisch.«
    Robert zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: Glaub es oder nicht. Dann zog er ein Exemplar der Zeitschrift Science aus seinem Rucksack und vertiefte

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