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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Was, wenn sie es doch versuchte? Sicher, den anderen fehlten sowohl Übung wie auch Erfahrung. Aber mit Ana alleine – ja, mit ihr könnte sie es schaffen. Ka-ties Schätzung nach mussten sie sich direkt unterhalb des Hauptgipfels befinden, also lag die Einstiegstelle hoch zu der Scharte rechts von ihnen.
    Katies Sicht verschwamm und ihre Augen tränten im grellen Licht der Sonne. Sie zog ihre Sonnenbrille aus der Seitentasche ihrer Hose, setzte sie auf und fragte an Ana gewandt: »Wo sind wir genau?«
    Ana schob den Lederhut nach hinten, öffnete den Rucksack und zog eine Wasserflasche heraus. Sie war nicht einfach aus Plastik, auch nicht aus Alu, sondern das Mädchen besaß eine runde Feldflasche, wie Katie sie aus Westernfilmen kannte. Sogar die Lederfransen hingen herunter. Sollte das nun Klischee oder Provokation sein?
    Ana deutete auf die Wand. »Du bist genau da, wo du hinwolltest. Du stehst direkt unterhalb des Ghost.«
    »Na Gott sei Dank. Ich war überzeugt davon, wir kommen nie an«, stöhnte Julia und ließ sich einfach zu Boden fallen. »Mann und ich dachte, schlimmer als im Leichtathletikteam kann es nicht werden. Wozu gehe ich eigentlich ständig joggen, wenn ich dann doch so schnell schlappmache? Dieser Sumpf war ja der reinste Horrortrip.«
    »Der Horrortrip fängt erst an!« Ana grinste und sie hätte jederzeit für Zahncreme Werbung machen können, so weiß blitzten ihre Zähne zu der olivbraunen Haut ihres ebenmäßigen Gesichts.
    Katie unterbrach sie gereizt. »Wo geht es hoch?«, fragte sie.
    »Hoch? Mann, Katie, jetzt gönn uns mal eine Pause!« Benjamin stützte sich mit der Hand an der Felswand ab und zog die Finger im nächsten Moment wieder zurück. »Scheiße, ist das heiß! Da kann man sich ja die Finger verbrennen.«
    »Ja, klar«, grinste Chris. »Aber nur wenn man so ein Weich-ei ist wie du.«
    »Nein, ehrlich, das ist nicht normal.«
    David machte einen Schritt nach vorne, legte die Hand auf den Stein und zog sie im nächsten Moment zurück. »Wow, du hast recht. Das ist seltsam.«
    Julia zog die Wasserflasche aus ihrem Rucksack, schob die Riemen zurecht und legte den Kopf zurück. »Wieso seltsam?
    Die Sonne brennt die ganze Zeit schon wie verrückt. Es sind bestimmt dreißig Grad.«
    Chris beugte sich vor. »Hey, bleib so, Süße!«, murmelte er und küsste sie ziemlich lange.
    Das macht er nur, dachte Katie, um seinen Besitzanspruch zu verkünden.
    David lief nervös auf und ab und sah den Weg entlang, den sie gekommen waren. »Verdammt, Paul ist immer noch nicht wieder aufgetaucht. Wo steckt der bloß?«
    »Mir doch egal«, murmelte Chris, löste seine Lippen von Julia und schloss die Augen.
    »Wir sollten zusammenbleiben, damit keiner sich verirrt«, sagte David.
    »Paul wird sich nicht verirren. Er ist doch der Hüter dieser heiligen Karte, die uns durch einen Sumpf führt, der gar nicht eingezeichnet ist.« Chris blinzelte träge. »Ehrlich, auf den Typen kann ich verzichten. Da wäre ich lieber noch Moses durch das Rote Meer gefolgt.«
    »Ich schau mal, wo es weitergeht.« Wie David fand auch Benjamin keine Ruhe. Die Kamera in der Hand wandte er sich nach rechts und war im nächsten Moment zwischen den Sträuchern verschwunden, die am Fuß der Wand wuchsen.
    Katie starrte noch immer den Felsen hoch. Sie spürte das Kribbeln jetzt am ganzen Körper. Ihr Bedürfnis nach der ultimativen Höhe war inzwischen zu einer Sucht geworden. Man hatte von ihr verlangt, sich nie wieder von einer Brücke in die Tiefe zu stürzen, und sie hatte es versprochen. Das ist vorbei, hatte sie sich wieder und wieder gesagt. Aber es war nicht vorbei, auch wenn sie nun genau das Gegenteil machte.
    Es war die Sucht nach immer größerem Risiko, das sie antrieb, das Verlangen, ohne Sicherung immer gefährlichere Routen zu bezwingen, und das in vollem Bewusstsein, dass ein einziger Fehler tödlich sein konnte. Sie brauchte diese Euphorie, diesen Rausch, dieses Wahnsinnsgefühl, mitten in einer Felswand zu hängen und – sie brauchte die Lebensgefahr.
    Verrückt.
    Ja, es war verrückt. Sie war verrückt.
    Aber Tatsache war, Katie konnte die anderen nicht verstehen, es nicht ertragen, wie sie so ruhig blieben. Gab es denn ein besseres Gefühl als das, sich über die Schwerkraft hinwegzusetzen?
    »Da hoch?«
    Katie fuhr erschrocken herum und sah Paul direkt hinter sich stehen. Sein Atem streifte ihre rechte Wange, als er leise lachte: »Vergiss es! Das schaffst du nie!«
    Sie trat einige Schritte zurück

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