Die Katastrophe
schlafen können, selbst wenn sie wusste, dass sie Kräfte sammeln musste?
Die Luft im Raum war stickig, der Geruch nach ranzigen Socken und Schweiß wurde immer durchdringender. Katie fühlte sich von Minute zu Minute in der warmen Geborgenheit dieser Kammer unwohler und kroch aus ihrem Schlafsack.
Als ihre nackten Füße den kalten Holzboden berührten, zuckte sie zusammen. Rasch zog sie Socken und ihre Softshell-Jacke über. Ein Blick auf Anas Schlafsack zeigte ihr, dass das Mädchen offenbar schon aufgestanden war.
Vermutlich hatte sie es mit der Aussicht auf den heutigen Anstieg auch nicht abwarten können.
Ana war wie sie. Eine, die nicht viel sprach, lieber etwas unternahm. Aber eine Freundin würde sie nie werden – im Gegensatz zu Julia. Seit der Sache in der Höhle spürte Katie ein neues Gefühl von Vertrautheit mit ihrer Mitbewohnerin.
Vielleicht sollte ich mit Julia über dieses Foto reden. Andererseits – wollte Julia das überhaupt? Sie hatte sich gestern Abend mit keinem einzigen Wort zu dem Bild geäußert, dabei war Katie der festen Überzeugung, dass die Sache mit den acht Studenten der Grund war, weshalb Julia sich überhaupt auf dieses Abenteuer eingelassen hatte.
Acht Studenten verschwunden? Lüge, dachte Katie, alles Lüge. Zumindest eine hatte überlebt. Was das zu bedeuten hatte, verflucht, wollte sie es wissen? Nein! Aber sie konnte es nicht einfach ignorieren. Es war wie ein Schock gewesen, als sie das Gesicht erkannt hatte. Im Grunde war sie noch immer fassungslos und sie konnte nur hoffen, dass sie den Gedanken daran einfach wegschieben konnte, wenn sie sich bald auf den Weg zu dem Gipfel machten. Sie konnte keine Probleme brauchen. Ihr Verstand musste völlig klar und konzentriert sein.
Der Raum unten war leer und von Ana keine Spur zu sehen. Gott sei Dank hatte David, der fürsorgliche, rücksichtsvolle David am Abend zuvor für ausreichend Holzvorräte gesorgt, sodass es ein Kinderspiel war, das Feuer im Ofen neu zu entfachen. Katie stellte einen Topf mit Wasser auf die Herdplatte. Okay, wenn Julia tatsächlich zu so etwas wie ihrer Freundin geworden war, dann sollte sie ihr einfach einmal sagen, dass jemand wie David zwar nicht gerade das Blut in Wallung brachte, aber vielleicht doch Christopher Bishops Reizbarkeit vorzuziehen war. Ja, Katie hatte den mürrischen Gesichtsausdruck von Chris am Abend zuvor durchaus bemerkt, als er kapierte, dass Julia im – wie hatte Benjamin es genannt – Hühnerzimmer schlafen würde. Hatte Chris wirklich gedacht, er und Julia bekämen hier oben so eine Art Hochzeitssuite, nur weil er keine Nacht auf ihre Anwesenheit verzichten wollte?
Das Wasser kochte. Katie nahm den Topf vom Herd und sah sich gerade in den Schränken nach Tee oder Kaffee um, als ihr Blick zum Fenster glitt.
Oh Mann, das konnte doch nicht sein!
Katie stürzte auf die Tür zu und riss sie auf. Sie wich erschrocken zurück. Ein eisiger Wind fegte über die Hütte. Nein! Das war einfach nicht möglich! Das, womit Katie am wenigsten gerechnet hatte, war eingetroffen! Die Landschaft präsentierte sich ihr völlig anders als am Abend zuvor.
Irgendwo hinter den Wolken war die Sonne gerade dabei, über den Gebirgskamm gegenüber zu steigen, aber ihr Licht schaffte es nicht, die düsteren Wolken zu durchdringen. Es war unfassbar! Rund um die Hütte war alles weiß. Es musste in der Nacht mindestens einen Meter Neuschnee gegeben haben und es schneite immer noch in dichten Flocken. Dazu wehte ein eiskalter Wind.
Verdammt! Gestern noch strahlender Sonnenschein, heute versanken die Berge im Schnee.
War dies nur der Vorbote eines ausgewachsenen Tiefs? Würde es jetzt tagelang so weiterschneien? Angst stieg in ihr hoch. Was, wenn sie das Ganze aufgeben mussten?
»So viel zu www.weatheroffice.ga.ca. Du hättest genauso gut einen Schamanen fragen können.« Sie wandte sich um. Hinter ihr stand Paul. Auch in seinem Gesicht konnte sie den Schock ablesen.
»Das war es dann wohl mit unserem großen Abenteuer. Bei dem Wetter müssen wir auf der Hütte bleiben.«
Katie zog es vor, keine Antwort zu geben. Ana! Sie musste Ana um Rat fragen. Sie würde wissen, was zu tun war.
Katie zog den Reißverschluss der Jacke bis hoch unters Kinn und stapfte dann einmal rund um die Hütte.
Vielleicht war Ana Holz holen? Oder sie stand auf der Rückseite der Hütte und prüfte die Windlage?
Doch wo sie auch schaute, sie fand keine Spur von Ana. Nach einer Viertelstunde kehrte sie zurück in die
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