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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Beispiel.«
    Katie starrte ihn ungläubig an. Was redete er denn da?
    »Es ging um ein Mädchen, verstehst du, Katie?«
    Sie hatten die Gletschersohle erreicht. Aber die Ausläufer des gigantischen Eisfeldes, das hier begann, waren unter einer strahlend weißen, trügerischen Schneedecke verborgen, sodass Katie nicht genau erkennen konnte, wo das Geröllfeld aufhörte und das Eis begann.
    »Keine Fußspuren«, sagte Katie und versuchte mühsam, sich auf den eigentlichen Grund zu konzentrieren, weswegen sie überhaupt hier waren. Sie versuchte, sich an die Realität zu klammern. »Nichts. Wenn Ana wirklich hier hochgegangen ist, dann...«Sie sprach den Satz nicht zu Ende, weil sie den entsetzlichen Gedanken nicht aussprechen wollte. »Drehen wir um!«
    Sie wandte sich Paul zu, der abermals die Gletscherbrille abgenommen hatte. Und jetzt leuchteten seine Augen wieder, das Dunkle darin war verschwunden und hatte dem bernsteinfarbenen Ton Platz gemacht.
    In diesem Moment glitt Paul mit einer seiner geschmeidigen Bewegungen, die so typisch für ihn waren, auf sie zu, legte seine Rechte in ihren Nacken, zog sie völlig unvermittelt an sich und küsste sie auf den Mund.
    Katie war nur eine Sekunde lang überrumpelt. Vielleicht waren es auch zwei. Dann schob sie ihn mit beiden Händen von sich. »Sag mal, was ist denn mit dir los? Bist du verrückt geworden?« Ihre Stimme war heiser vor Schreck.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte er. »Ganz sicher nicht. Das wollte ich schon tun, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.«

22
    M ach das nie wieder!« Katie hatte ihre Stimme wiedergefunden und brüllte Paul an. Dann wandte sie sich um und rannte den Weg zurück zur Hütte. Nein – sie rannte nicht. Das war bei diesem verfluchten Schnee gar nicht möglich. Stattdessen stapfte sie, um Haltung bemüht, durch das Schneefeld den Abhang hinauf. Eisiger Wind wehte ihr ins Gesicht und brannte in ihren Augen. Einmal blieb sie mit dem Schuh in einem Loch hängen und hatte Mühe, wieder herauszukommen. Sie hatte keine Ahnung, ob Paul ihr folgte und es kümmerte sie auch nicht.
    Der Wind schaffte es nicht, den Himmel aufzureißen. Stattdessen schoben sich neue dunkle Wolken über die Gipfel und Katie konnte nicht ausmachen, wo sich die Sonne befand. Dabei musste es mittlerweile schon später Vormittag sein.
    Die Wut trieb sie schneller vorwärts als der Wind. Die Wut und ein Gefühl der Verwirrung. Vielleicht war dieser Kuss völlig harmlos gewesen. Einfach ein Versuch. Mehr nicht.
    Was würde ihr Vater sagen, wenn er wüsste, dass sie ihre Zeit mit einem verurteilten Mörder verbrachte? Dass sie ihn geküsst hatte und – halt, Katie! Das stimmt nicht.
    Er hatte sie geküsst. Ja – aber Tatsache war auch – man konnte andere belügen, aber nie sich selbst – es war Katie nicht unangenehm gewesen. Er hatte sie bestimmt geküsst. Fordernd. Wie selbstverständlich. Konnte jemand so küssen, wenn er einen anderen Menschen umgebracht hatte?
    Als ob das eine Rolle spielte! Katie merkte, dass sie die Finger in den Handschuhen unwillkürlich zu Fäusten geballt hatte.
    Es war ein Schock gewesen, seinen Körper so dicht an ihrem zu spüren. Trotz der dicken Kleidung, in die sie beide gehüllt waren, hatte sie seine Wärme gefühlt. Oder war ihre Fantasie außer Kontrolle geraten? Bei dieser Scheißkälte bildet man sich vermutlich ein, dass sogar ein Holzstock Wärme ausstrahlte.
    Paul hatte sie nicht so geküsst wie Sebastien.
    Den ersten Kuss von Sebastien hatte sie nach ihrem ersten Mal bekommen – das erste Mal, als sie zusammen von der Brücke gesprungen waren.
    Miteinander geschlafen hatten sie erst viel später und auch die Küsse, die er ihr dann jedes Mal zum Abschied gegeben hatte, waren anders gewesen.
    Lang, zärtlich.
    Unendlich lang, unendlich zärtlich.
    Katie wurde schneller und prompt stolperte sie. Sie konnte sich gerade noch fangen, ehe sie in eine Schneewehe stürzte. Wütend rappelte sie sich auf und lief weiter. Das fehlte noch, dass Paul ihr hier oben helfen musste.
    Sie konnte ein erleichtertes Aufseufzen nicht unterdrücken, als sie endlich die gedrungenen Umrisse der Hütte in dem trüben Licht erkannte. Wieder fielen Schneeflocken vom Himmel und jetzt erst wurde Katie bewusst, dass sie die letzten Minuten völlig vergessen hatte, weswegen sie eigentlich aufgebrochen waren.
    Ana. Hatten Chris und David sie gefunden? Oder war sie inzwischen zurückgekehrt?
    Doch als sie die Tür aufstieß, wurde ihre

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