Die Katastrophe
Hoffnung enttäuscht. Auf den ersten Blick sah sie, dass Ana immer noch fehlte.
Benjamin lehnte an der linken Wand neben dem Feuer, das im Ofen prasselte. Er hielt die Kamera auf Julia, die merkwürdig blass am Schrank lehnte, während Chris und David mitten im Raum standen und sich anfunkelten.
Katie öffnete den Mund, um nach Ana zu fragen, aber im nächsten Augenblick sagte Chris mit gefährlich leiser Stimme: »Ich warne dich, David. Rühr sie nie wieder an, okay?«
»Ich habe doch nur...«
»Halt die Klappe! Jetzt rede ich! Also, halt dich von ihr fern. Du bringst ihr ganz offensichtlich kein Glück. Schließlich hast du sie gestern fast umgebracht.«
»Chris! Hör auf!«, rief Julia, doch er beachtete sie gar nicht.
»Typen wie du gehen mir so was von auf den Sack.«
»Du hast sie nicht verdient«, erwiderte David ruhig.
»Verdient?«, entgegnete Chris. »Liebe verdient man sich nicht. Sie ist einfach da. Wie ein Naturgesetz.«
»Ach ja?«
In Julias Augen brannten die Tränen und am liebsten hätte Katie mitgeweint, aber Tränen, das stand nicht in ihrem emotionalen Programmcode.
»Ach ja?«, äffte Chris Davids Tonfall nach. »Hör mal. Ich nehme dir diesen Mr Nice Guy einfach nicht ab. Also lass das Gequatsche, ich hab dich längst durchschaut.«
»Und du meinst, dein Dreitagebart und diese MarlboroMan-Masche ziehen auf Dauer?«
»Wenn du jemanden fürs Bett brauchst, David, dann abonniere dir eine Nonne.« Chris’ Stimme war hörbar lauter und eine Note schärfer geworden. »Die passt dann zu deinem Heiligenschein. Aber nicht Julia! Du bist genau der Typ, der der beste Freund eines Mädchens sein kann, aber sonst nichts! Nette Männer und nette Frauen können nicht glücklich werden. Das ist wie in der Physik. Zwei Pluspole stoßen sich nun mal ab. Welches Mädchen möchte schon mit seinem Psychotherapeuten oder seinem Priester schlafen? Also lass die Finger von meinem Mädchen!« Chris ging einen Schritt auf David zu und packte ihn an der Schulter. »Sonst garantiere ich für nichts.«
David schwieg. Katie fragte sich, woher er diese unheimliche Ruhe nahm.
»Komm schon, Weichei! Beweg deinen Arsch. Schlag zu!« Chris stieß David gegen die Brust.
Katie hörte, wie Julia nach Luft schnappte. Dann sprang ihre Mitbewohnerin nach vorn, griff nach einer der Kaffeetassen, die auf dem Tisch standen, und warf sie gegen die Wand, wo sie in hundert Scherben zerbrach.
»Wow!«, rief Benjamin und ließ für einen kurzen Moment die Kamera sinken. »Scherben bringen Glück!«
»Ach Scheiße!«, schrie Julia. »Ich habe euch so was von satt! Versteht ihr! Ich will keinen von euch beiden! Ich will einfach nur meine Ruhe!«
»Ja, ja, gut so Julia!« Benjamin filmte wie verrückt. »Mach sie fertig! Und heul ruhig weiter. Du siehst so fantastisch aus, wenn dein Gesicht von Tränen verschmiert ist. Dann hast du die ultimativen Smokie Eyes.«
Julia beachtete Benjamin gar nicht, sondern rannte die Treppe hoch.
Katie ließ sich auf die Eckbank sinken. Was würde noch alles passieren? Erst die Sache mit Ana, dann dieser Kuss und jetzt hatten sie hier oben auf der Hütte auch noch einen Kleinkrieg der Verliebten!
Na ja, wenigstens trat dafür Pauls Überrumpelungsversuch in den Hintergrund.
»Glückwunsch! Das habt ihr beide ja gut hinbekommen«, sagte sie müde.
»Misch du dich nicht ein! Du kannst da gar nicht mitreden! Vermutlich hattest du noch nie ein Date«, erwiderte Chris verächtlich und ließ sich auf die Eckbank fallen.
Katie rollte mit den Augen.
»Ach scheiß drauf!«, fluchte Chris. »Pack diese Fuckkamera weg, und lass uns ein Bier trinken. Etwas anderes können wir heute sowieso nicht mehr machen. Wahrscheinlich müssen wir bei dem Wetter hier oben bis zum Frühjahr bleiben.«
Ben schaltete tatsächlich die Kamera aus. Katies Blick folgte ihm, als er zum Vorratsschrank ging und vier Dosen Bier herausnahm. Eine davon warf er Chris zu, der sie mit einer Hand auffing.
»Was ist mit dir, David?«
David schüttelte wortlos den Kopf.
»Und du, Katie?«
»Bier am Vormittag? Nein, danke!«
Katie überlegte, hoch zu Julia zu gehen, um nach ihr zu sehen, andererseits – im Trösten zählte sie nicht gerade zur Liga der Hochbegabten. Besser war, sie sorgte dafür, dass die Jungs nicht völlig durchdrehten.
Ihr Blick ging zum Fenster. Der Schneefall war noch einmal stärker geworden. Sie holte tief Luft. »Okay, Leute. Zurück zu Wichtigem: Was ist mit Ana? Habt ihr irgendeine Spur von ihr
Weitere Kostenlose Bücher