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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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zu massieren.
    Und Katie blieb das Herz fast stehen. Denn jetzt wurde offensichtlich, dass Ana tatsächlich die Wahrheit gesagt zu haben schien. Ganz offenbar hatte sie tatsächlich in den Bergen mehr erlebt als sie alle zusammen.
    Zumindest, wenn man den Grad von früheren Erfrierungen als Maßstab nahm.
    Denn an Anas Fuß fehlten drei Zehen.

    Ana reagierte auf keine ihrer Nachfragen, sondern zuckte immer nur mit den Schultern, wenn einer der anderen in sie drang. Fast schien es Katie, als hätte sie eine Art Schweigegelübde abgelegt. Und Julia tauchte überhaupt nicht mehr auf.
    Es hörte nicht auf zu schneien, selbst als es auf den Nachmittag zuging. Die Flocken waren in dem aufkommenden Nebel stellenweise nicht zu erkennen. Und trotz der Tatsache, dass Ana heil zurückgekehrt war, fühlte Katie sich nicht viel besser.
    Ganz im Gegenteil – diese Warterei, eingesperrt hier oben auf der Hütte, war fast genauso schlimm wie die Situation im Tunnel gestern. Warten zu müssen – das war der perfekte Nährboden für unerwünschte Gedanken.
    Benjamin rülpste in die Stille. »Sorry«, sagte er, »aber irgendwer musste ja mal was sagen.«
    Es war Paul, der als Erster lachte. Die letzten Stunden schien er sich merklich entspannt zu haben, fast, als wäre ihm eine schwere Last von den Schultern gefallen. War es sein Geständnis gewesen? Der Kuss? Oder beides? Machte er sich etwa Hoffnungen?
    Benjamin griff nach der Kamera, stand auf, öffnete das Fenster hinter sich und hielt sie hinaus. »Oh Scheiße, ist das kalt.«
    »Wenn wir Glück haben«, sagte Paul, »kommt ein warmer Chinookwind und die Temperaturen steigen mit einem Schlag.«
    Benjamin legte die Kamera zurück auf den Tisch und schob sich mit dem Rücken über den Fensterrahmen hinaus. Dann öffnete er den Mund und ließ die dicken Schneeflocken auf seiner Zunge schmelzen. Er war kaum zu verstehen, obwohl er schrie: »Und warum haben wir dann eine Gletscherausrüstung dabei, wenn wir warten, bis der Schnee schmilzt?«
    »Mann, Benjamin«, seufzte Chris. »Du musst deine Eltern in den Wahnsinn getrieben haben mit deinen ewigen Warum-Fragen. Das ist doch logisch! Man erkennt die Gletscherspalten nicht, weil der Schnee sie zugeweht hat.«
    »Ich habe meine Eltern schon allein durch meine Existenz in den Wahnsinn getrieben.«
    »Das wundert mich nicht.« Auf Anas Gesicht trat ein Lächeln. Was war plötzlich mit ihr los? Ähnlich wie Paul sah sie seit ihrer Rückkehr merklich gelassener aus.
    Benjamin zog den Kopf wieder zurück. »Sag mal, Ana, ihr Indianer seid doch als die weltbesten Wettermacher ever bekannt. Kannst du uns nicht irgendeinen Regentanz aufführen?«
    Ana erhob sich, trat an den Schrank und holte eine Dose Tomatensoße heraus. »Nein, aber dafür kann ich für euch etwas kochen.«
    »Komm, du kennst bestimmt irgendwelche Sprichworte oder Zauberformeln, mit denen ihr die Dämonen vertreibt.«
    Ana grinste ihn an. »Klar. Kennt ihr nicht den Satz, mit dem die Sioux in den Kampf am Little Big Horn gezogen sind?«
    Alle schauten sie abwartend an.
    Ana zog spöttisch die Augenbrauen hoch.
    »Sag schon!«
    »Heute ist ein guter Tag zum Sterben.«
    Katie stockte der Atem.
    Vor jedem Sprung hatte Sebastien gesagt: »Heute ist der Tag, an dem wir sterben könnten!«

23
    I rgendwann rappelte sich Julia auf und beschloss, nach unten zu gehen. Genauer gesagt, als der Geruch von Essen zu ihr nach oben drang und ihr Magen sie empfindlich daran erinnerte, dass sie noch nicht einmal gefrühstückt hatte. Inzwischen musste es bereits weit nach Mittag sein.
    Was ist nur mit dir los, fragte sie sich. Du bist doch sonst nicht so empfindlich. Nun bist du schon das zweite Mal einfach davongestürmt wie die letzte Zicke.
    Aber irgendwie wurde ihr alles zu viel. Die Anstrengung des letzten Tages, das Erlebnis in dem Tunnel, der Albtraum in der Nacht, das Verschwinden von Ana und nicht zuletzt das Wetter, das ihr Angst einjagte.
    Und das Allerschlimmste war: Seit sie das College verlassen hatten, kam ihr Chris plötzlich fremd vor. Oder war er wie immer und sie war es, die sich verändert hatte?
    Ihre Gedanken schweiften zum Vormittag zurück. Chris und David waren unverrichteter Dinge von ihrer Suche nach Ana zurückgekehrt und Chris war sofort nach oben gegangen, um sich trockene Sachen anzuziehen. David aber war unten geblieben und sie hatte gespürt, dass er mit ihr reden wollte, obwohl er sich ewig an seinem heißen Kaffee festgehalten hatte und nicht mit der

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