Die Kathedrale der Ketzerin
selbst
gegenüber konnte Mauclerc eingestehen, von einer Frau und einem Kind geschlagen
worden zu sein. Jemand anderes musste hinter dieser Schmach stehen, jemand, der
vom Kriegshandwerk etwas verstand; jemand, dem sehr daran gelegen war, die
Macht der Krone zu stärken. Nur einer kam infrage: sein alter Gegner Theobald
Graf von Champagne.
Dieser Herr musste endgültig in die Schranken gewiesen werden;
Anschläge hatten versagt, Gerüchte nichts bewirkt, Spottlieder nicht genügt. Es
war Zeit, eine weitaus härtere Gangart einzuschlagen und das zu tun, was Ludwig
der Löwe vorgehabt hatte: in die Champagne einzufallen und sie gründlich zu
verwüsten.
Erst wenn ich das vollbracht habe, werde ich dem König von England
auf seinen Brief antworten, überlegte Mauclerc. Als siegreicher Heerführer werde
ich mich dann Heinrich als Lehensmann andienen und ihm die Bretagne zu Füßen
legen. Damit kann ich ihn überzeugen, endlich in Frankreich einzufallen und
sich des Thrones zu bemächtigen. Dann endlich werde ich als mächtigster
französischer Vasall des Königs freie Hand haben.
All dies bedurfte umsichtiger Planung und Zeit. Bisher war er zu
voreilig gewesen, gestand er sich ein. Er hatte die Gegnerin und ihren
verfetteten Troubadour unterschätzt. Zu allererst musste er die ihm noch
verbliebenen Barone auf das neue gemeinsame Ziel einschwören. Auf die
Vernichtung der Champagne.
Er rief seinen Schreiber herbei. Der Brief, den er diesem diktierte,
war an den Grafen von Champagne gerichtet. Eine Abschrift davon sollte mit
entsprechenden Kommentaren an sämtliche Barone Frankreichs gesandt werden.
»In Eurem Herzen wohnt Verrat,
Graf Theobald«, gab er dem Schreiber in die Feder, »Euren Ruhm verdankt Ihr
nicht Eurer Kriegskunst, sondern wie ein fettes altes Weib Eurer Kenntnis von
Giften. Hätte Euer Herr, König Ludwig, überlebt, wäret Ihr all Eurer
Besitzungen verlustig gegangen. So aber habt Ihr frech die seinen in Besitz
genommen. Und die Königin hat sich von Euch in Besitz nehmen lassen, da sie
nach Art der Weiber den Mörder ihres Gemahls allen anderen Männern vorzieht.«
Schwanger soll sie werden, dachte Mauclerc grimmig, auf dass alle
Welt ihr Fehlen erkenne und begreife, wer mit List, Wollust und Tücke das
französische Königreich tatsächlich regierte. Allmonatlich erwartete er
Nachricht von seiner Späherin im Weibertrakt des Cité-Palasts. Doch diese hatte
bisher nur zu berichten gewusst, die Königin lasse weiterhin ihre blutigen
Tücher waschen.
Auf Blanka warteten Wochen ungetrübten Glücks. Nahezu
täglich suchte sie Raimund im Louvre auf, gelegentlich von Clara und Johanna
begleitet. Die hatten sich jedoch zurückzuziehen, wenn sich die Königin
ungestört den offenbar immer komplizierter werdenden Verhandlungen mit ihrem
Gefangenen zu widmen hatte.
Da ihr Graf Theobalds vorwurfsvoll wissende Miene, seine unverschämten
Anspielungen und seine schlechte Laune zunehmend unerträglicher wurden,
forderte sie ihn eines Mittags auf, in seine Hauptstadt zurückzukehren.
»Die nicht mehr lange meine Hauptstadt sein wird, sollte es nach
Mauclerc gehen!«, schimpfte Theobald.
»Er wird es nicht wagen, in deine Champagne einzufallen«, erwiderte
Blanka ungerührt. »Schon gar nicht jetzt, da sogar seine wichtigsten
Verbündeten, die Grafen von Burgund und Boulogne, reumütig wieder zu uns
zurückgekehrt sind!«
»Mauclerc leckt zwar immer noch seine Wunden«, gab Theobald zu,
»wartet aber den passenden Zeitpunkt ab.« Mit einer nahezu höhnisch anmutenden
Verneigung warf er ihr das Schreiben aus der Bretagne hin und bewegte sich
rückwärts zur Tür. »Und dieser Zeitpunkt, Herrin, ist spätestens dann gekommen,
wenn Ihr für alle Welt sichtbar, scheinbar meinen Bastard in Eurem
Leib tragt.«
Mit funkelnden Augen sprang Blanka von ihrem Thron und hob eine
Hand. Längst außer Reichweite einer Ohrfeige, warf Theobald die Tür hinter sich
ins Schloss.
»Kindische Eifersucht«, murmelte Blanka, als sie sich wieder
hinsetzte und den Brief studierte. Mit jeder Zeile wich mehr Farbe aus ihrem
Gesicht. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. Theobald konnte von ihrer
Schwangerschaft gar nichts wissen. Und die kleine Schwellung würde sie am 12. April unter weiten Gewändern noch verbergen können. An diesem Tag sollten
sämtliche Würdenträger bei Hof erscheinen, um bei der Aufhebung der
Exkommunikation Graf Raimunds anwesend zu sein. Aber was würde danach
geschehen? Wenn ihr Zustand nicht mehr zu
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