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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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sofort …«
    Sie brach ab. Ein kleiner Trupp trabte von hinten durch die
ungeordneten Reihen auf ihr Podest zu, angeführt von einer dunkel gekleideten
Frau, neben der ein Mädchen auf einem kleinen Schimmel saß.
    Blanka, unübertroffen in der Fähigkeit, sich Dinge schnell
zusammenreimen und augenblicklich reagieren zu können, fing sich rasch. Diese
Unterbrechung war ihr höchst willkommen, denn so konnte sie der Ankündigung des
Feldzugs noch eine gute Nachricht hinzufügen. Sie schalt sich, diesen Auftritt
nicht selbst vorbereitet zu haben.
    »Begrüßt mit mir, meine lieben Bürger, ein neues Mitglied unseres
Königshauses!«, rief sie und bedeutete den Neuankömmlingen, sich zu ihr auf
das Brettergerüst zu stellen.
    Clara stieg von ihrem Ross und hob Johanna aus dem Sattel.
    »Das ist die Königin, deine künftige Schwiegermutter«, flüsterte
sie. »Geh hinauf und küsse den Saum ihres Gewandes!«
    Johanna zögerte. Begleite mich, sprachen ihre Augen. Clara
schüttelte den Kopf. »Das ist dein Weg, mein Kind, nicht meiner«, flüsterte sie
und spürte bei diesen Worten einen Stich in ihrem Inneren.
    Das Mädchen nickte gehorsam und erstieg flink die grob gezimmerte
Treppe des Podests, auf dem hinter Blanka und Ludwig die anderen Königskinder
standen, fünf Söhne und eine Tochter. Johanna kam nicht dazu, den Saum der
Königin zu küssen, da diese sie sofort in die Arme nahm und ausgiebig herzte.
    »Die Tochter des Grafen Raimund von Toulouse!«, rief sie. »Die
künftige Gemahlin meines Sohnes Alfons, des Bruders unseres geliebten
Königs!«
    Jubel brandete auf.
    »Dieses edle Mädchen wird unserem Haus Glück und unserem Land Frieden
bringen«, fuhr Blanka fort, als sie ihren Sohn Alfons zu sich heranwinkte und
die Hände der beiden Kinder ineinanderlegte.
    Clara sah, wie die beiden einander verschämt anlächelten, und atmete
tief durch.
    »Ich war nicht viel älter, als ich meinen Gemahl Ludwig gesehen und
augenblicklich geliebt habe«, rief Blanka. »Meinem Sohn Alfons und seiner
künftigen Gemahlin wünsche ich das gleiche Glück!«
    Nenne sie doch endlich beim Namen, dachte Clara ungeduldig. Blanka
wäre der unausgesprochenen Aufforderung gern gefolgt, doch beim Anblick des
Kindes war ihr entfallen, wie es hieß. Sie konnte nur noch Clara denken. Vor
mir steht Clara. Das gleiche Schwarzhaar, die gleichen hellgrauen Augen in zum
Verwechseln ähnlichen Gesichtszügen. Die gleiche bezaubernde Schüchternheit.
Zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen fühlte sich Blanka wieder in ihre
Jugend zurückgeschleudert. Abermals war sie für eine Tochter des Grafen von
Toulouse verantwortlich.
    Sie sah von dem Kind neben sich zu der Frau am Fuß des Podests und
erschauerte leicht. Clara war zu ihr gekommen, als sie gerade ihr zweites Kind,
ihre zweite Tochter, verloren hatte, und jetzt hatte sie ihr das eigene
kindliche Abbild zugeführt; zudem noch die Tochter des Raimund von Toulouse,
ihres Geliebten, der sie, die verwitwete Königin, möglicherweise geschwängert
hatte. An diese Zusammenhänge durfte sie nicht denken, durfte nicht von der
Furcht vor Omen erfasst werden.
    Dazu fand sie in den nächsten Stunden auch keine Zeit.
    Die Begrüßung mit Clara fiel zwar herzlich, aber äußerst knapp aus.
    »Du kommst mit nach Bellême«, befahl Blanka, nachdem sie ihre
ehemalige Hofdame umarmt hatte. »Unterwegs erzählst du mir, wie es dir ergangen
ist und wie unsere neuen Länder aussehen. Berichte mir alles, was du von deinem
Bruder weißt, damit ich gut vorbereitet die Verhandlungen mit ihm aufnehmen
kann.«
    Wenn sie Raimund in der nächsten Zeit schon nicht sehen konnte,
wollte sie wenigstens über ihn reden, seinen Namen aussprechen. Und das ging am
unverfänglichsten mit Clara; deshalb vor allem wünschte sie deren Gesellschaft.
    Erschrocken hob Clara die Hände.
    »Ich bin nicht für den Krieg gemacht!«, wehrte sie ab. Ein Schauer
fuhr ihr durch den Körper.
    »Wer ist das schon!«, gab Blanka ungerührt zurück. »Glaubst du
etwa, ich werde mir ein Schwert umgürten? Aber wir sollten uns aus der Nähe
betrachten, wie sich die Männer beim Kampf verhalten.«
    Clara erblasste.
    Sich mit einem Mal entsinnend, wie wenig fremd Clara kämpferisches
Verhalten von Franzosen war, wie sehr sie darunter gelitten hatte, streichelte
ihr Blanka sanft die Schulter.
    »Vielleicht«, sagte sie leise, »können wir den Männern ja noch etwas
beibringen, vielleicht können wir Frauen ein anderes Element in die

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