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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Salböl
aufbewahrt. Der Legende nach hatte es eine Taube zur Taufe des Merowingerkönigs
Chlodwig I. achthundert Jahre zuvor auf die Erde
gebracht.
    Der Schmerz in Blankas rechtem Auge wurde immer unerträglicher. Sie
betete voller Inbrunst, flehte Gott still an, sie von dieser Qual zu erlösen,
und schwor, die Eitelkeit abzulegen und nie wieder heidnischen Goldstaub an ihr
Haar zu lassen.
    Da sie die Lider aufeinandergepresst hielt, bekam sie nicht mit, wie das Salböl auf einer Patene mit Chrisam
vermischt wurde. Sie hörte die Worte »Ungo te in Regem«, wusste also,
dass der neben ihr kniende Ludwig gesalbt wurde, zuckte aber dennoch zusammen,
als sie den rechten Daumen des Erzbischofs auf ihrem eigenen Scheitel spürte.
    »Ganz ruhig, meine Tochter«, murmelte der Gottesmann, der mit einem
jetzt golden glänzenden Daumen das Öl in das dafür bestimmte Loch an der Brust
ihres Unterkleides drückte und dann laut verkündete: »Ungo te in Reginam.«
    Jetzt erst war sie gekrönte und gesalbte Königin Frankreichs. Als
sie die Krone auf dem Haupt spürte und weiterer Goldstaub herabrieselte, liefen
ihr heiße Zähren über die Wangen. Diese Verzückung rührte selbst die
hartgesottensten Würdenträger zu Tränen. Und so wurde viel geweint, als Blanka
der mit goldenen Lilien bestickte blaue Königsmantel gereicht wurde und Ludwig
zudem noch die Insignien der Macht erhielt. Nie zuvor habe eine französische
Königin bei ihrer Krönung so viel Inbrunst gezeigt, versicherte später ein
greiser Berater König Ludwigs. Und der hatte immerhin dessen Mutter wie auch
Königin Ingeborg und Agnes von Meran bei ihren Krönungen erlebt.
    Clara brauchte Theobald nach der Zeremonie nicht
aufzulauern, da er vor dem Kirchenportal auf sie zustrebte. Er verneigte sich,
hielt die förmliche Begrüßung knapp und sagte dann: »Ich bin überaus
verzweifelt, Clara; die Königin weigert sich, mich zu empfangen; sie scheint
sogar Anweisungen gegeben zu haben, mich nicht in ihre Nähe zu lassen. Und sie
hat mich aus meinem eigenen Schloss vertrieben und in eine fernab gelegene
Villa verbannt! Ich beschwöre dich, meine gute, alte Freundin, sprich mit der
Herrin, lege ein gutes Wort für mich ein, sag ihr, einen treueren Diener findet
sie nie!«
    Das Flehen in seinen Augen hätte jeden Stein erweicht.
    Clara schüttelte den Kopf.
    »Das wäre sinnlos, Theobald. Ich weiß ja nicht einmal, weswegen du
in Ungnade gefallen bist.«
    »Ich doch auch nicht. Das ist ja das Fürchterliche«, schrie er und
nahm Claras Hand in seine. »Finde wenigstens das für mich heraus. Dann kann ich
mich darauf einstellen und einen Weg zurück austüfteln. Ich ertrage es nicht länger,
von ihr wie Luft behandelt zu werden!«
    Die Wärme seiner Hand schien geradewegs in Claras Herz
hineinzuströmen. Der verzweifelte Blick seiner violetten Augen schmerzte. Am
liebsten hätte sie ihm tröstend über die Wange gestrichen. Nicht tröstend, dachte
sie bestürzt, liebevoll! Ach, wie gut die Berührung des Mannes tat, dessen
Bild sie so lange Zeit in ihrem Herzen getragen hatte! Wie gut es doch tat,
berührt zu werden! Von einem Mann berührt zu werden.
    Sofort kam ihr Felizian in den Sinn. Er mied es, sie anzufassen,
nahm inzwischen nur dann ihren Arm, wenn sie auf dem gemeinsamen Weg durch den
Pariser Straßendreck zu straucheln drohte. Sie spürte, dass er sie so liebte
wie sie ihn, und nahm ihm übel, dass er gegen seine Gefühle ankämpfte. Sie möglicherweise
gar mit der Verblendung des Satans in Verbindung zu bringen wagte. Wie konnte
die süße Sehnsucht der Herzen Teufelswerk sein?
    Die Geschlechtlichkeit, so hatte sie auf einer Versammlung seiner
Katharer gehört, sei Satans Mittel, als Herrscher über die nichtige Welt die
Menschen zu verlocken. Mit der Fortpflanzung
wolle er ihre Gefangenschaft in sterblicher Hülle verewigen.
    »Sollen wir denn allesamt aussterben?«, hatte sie damals empört
dazwischengerufen. Die Rednerin hatte sich ihr zugewandt, die in ein buntes
Kleid Gewandete freundlich gemustert und erwidert: »Weißt du denn nicht, was
nach dem Tod auf dich wartet?«
    »Wer weiß das schon!«
    Clara erschrak erst vor dem Raunen, das durch die Menge ging, und
dann vor der Antwort: »Luftteufel erwarten deine Seele, wenn sie aus deinem
toten Leib herausschlüpft, und quälen sie so lange, bis sie im nächsten frei
werdenden Körper Schutz gefunden hat.«
    Eine fürchterliche Vorstellung.
    Keine Gräueltat, die ihr Felizian aus dem von den Katharern so

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