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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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verehrten
Theobald wiederzusehen, mit dem er einst ein wunderschönes Lied komponiert
hatte. Ein Lied, das die Essenz ihres gemeinsamen Seins als Troubadoure
enthielt, nämlich den Gedanken, dass Freiheit nur dort möglich sei, wo der
Mensch sein Joch abwerfen könne. Erst jetzt erfuhr Theobald, dass ausgerechnet
der von ihm, dem Kreuzritter aus dem Norden, erdachte Refrain zu einem
Erkennungswort unter jenen Troubadouren des Südens geworden war, die sich als
Beschützer der Ketzer ausgaben, und das waren fast alle:
    »Wildernde Diebe
kennen die Liebe.
Die Ehe ihr Mord ist,
weil Freiheit ihr Wort ist.
Wir sprengen die Ketten,
um alle zu retten.«
    Etienne beschwor Theobald, den König zum Abziehen zu
bewegen, und Theobald versprach, sein Bestes zu tun. »Falls mir das nicht
glückt, werde ich mich mit meinen Männern absetzen«, versicherte er. »Für mich
ist dieser Feldzug zu Ende.«
    Er fasste sich ans Herz, wie um diesem Schwur mehr Gewicht zu verleihen. Etwas knisterte in seinem Wams.
Blankas Briefe an Clara. Er zog beide Schriften hervor. Die eine
brauchte er sich nicht näher anzusehen. Es handelte sich um den deutlich
erkennbaren üblichen Schutzbrief des Königs, in diesem Fall der Königin. Ein
Dokument, das dem Träger weit mehr als nur Zollfreiheit zugestand. Theobald
steckte das Schreiben wieder ein. Der andere Brief war an Clara persönlich
adressiert. Blanka hatte ihm gegenüber angedeutet, ihre Hofdame stehe den Katharern nicht sonderlich feindlich gegenüber,
und ihn geradezu angefleht, sie zu suchen und zu beschützen. Sie sei mit einem
Häretiker namens Felizian unterwegs und halte sich vermutlich in der Gegend von
Carcassonne auf.
    »Wie nur soll ich Clara in diesem riesigen fremden Land finden?«,
hatte er Blanka ratlos gefragt. Die Herrin hatte eine Hand auf seinen Arm
gelegt, genug, um ihn alles versprechen zu lassen, und mit süßer Stimme
erwidert: »Du wirst gewiss einen Weg finden, mein lieber Freund. Wie damals
in Marmande. Du wirst Clara erneut retten. Für mich, Theobald, darum bitte ich
dich. Ich setze mein ganzes Vertrauen in dich.«
    Und dann, einer der erhabensten Augenblicke seines Lebens, reichte
sie ihm die Hand zum Kuss. Beim Gedanken daran wurde ihm beinah schwarz vor
Augen.
    »Was ist mit dir?«, fragte Etienne besorgt.
    »Ich muss eine Frau retten«, flüsterte Theobald. »Eine von euren.«
Der Brief zitterte in seiner Hand. Es kostete ihn übermenschliche Anstrengung,
das Siegel nicht zu brechen. Rasch steckte er das Schreiben ein.
    »… ›weil Freiheit ihr Wort ist‹«, murmelte Etienne voller Mitgefühl
und fuhr sich mit der Hand durch sein widerspenstiges dunkles Borstenhaar. »Die
Frau ist verheiratet?«
    Theobald nickte unglücklich.
    »›Die Ehe ihr Mord ist‹«, zitierte Etienne und setzte nachdenklich
hinzu: »Als Albigenserin ist sie für dich noch unerreichbarer! Sie wird
dich nur unglücklich machen und dich nie erhören.«
    Theobald dachte nicht daran, das Missverständnis aufzuklären, und
sagte: »Wenn ich sie nur retten kann! Wirst du mir helfen, sie zu
finden?«
    »Wirst du Avignon helfen?«
    Theobald erfuhr von Etienne, dass die Pfeiler der großen Brücke
angesägt worden waren, dass Tausende von Männern, Frauen und Kindern mit
Schleudern bereitstanden, um so viele Eindringlinge wie möglich zu töten, und
dass die Vorräte noch monatelang reichen könnten. Am meisten aber beeindruckte
Theobald ein einziger Satz seines Freundes: »Mit der Freiheit des Südens wird
auch unsere verloren gehen; die Troubadoure werden verstummen, wenn das Horn des
französischen Königs erklingt.«
    Sie schlossen einen Pakt. Theobald würde sich bemühen, den König zum
Abzug zu bewegen, und Etienne würde Clara ausfindig machen. Sie verabredeten,
sich in jedem Fall eine Woche später in der Cité von Carcassonne zu treffen.
Theobald besorgte ein Pferd für seinen Freund und verabschiedete ihn mit Tränen
in den Augen. Endlich hatte sich ihm eine Möglichkeit geboten, Blankas Auftrag
zu erfüllen. Seitdem er am 17. Mai zu Ludwigs Truppen gestoßen war, hatte er
sich den Kopf darüber zerbrochen. Er gab sich keinen Illusionen hin, den König
umstimmen zu können. Aber er versuchte es.
    Wie erwartet verengten sich Ludwigs Augen bei den Worten des Grafen
von Champagne. Er hieß ihn vortreten.
    »Aufgeben hast du gesagt?«, fuhr er ihn mit blitzenden Augen an.
    »Verzeiht, edler Herr König, aber nur dies erscheint in der
derzeitigen Lage sinnvoll.«
    »Graf von

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