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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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befahl,
noch klangvoller.
    Er warf sich Blanka zu Füßen.
    Sie gestattete ihm, sie anzusehen. Ein wehmütiges Lächeln stahl sich
in ihre Mundwinkel, als sie im Leuchten seiner violetten Augen ein Wiedersehen
mit der altvertrauten und lange vermissten Hingabe ihres beständigsten
Verehrers feierte. Theobald kannte die Königin gut. Er schöpfte Hoffnung, die
alte Ordnung wiederhergestellt zu sehen und in Gnaden aufgenommen zu werden.
    »Ihr wollt also mit meinem Gemahl in den Krieg ziehen, Graf«, redete
sie ihn förmlich an. »Darf ich fragen, weshalb?«
    »Um unseren verehrten König, Euren Gemahl, den Löwen, bei seiner
schweren Aufgabe zu unterstützen«, gab er zurück. »Um die Häretiker auszurotten
und Ablass für meine Sünden zu erhalten.«
    Blanka hob die Augenbrauen.
    »Ist Euch der nicht schon nach Eurem letzten Kreuzzug gewährt
worden?«, fragte sie überrascht. »Oder habt Ihr Euch in der Zwischenzeit
weiterer schwerer Sünden schuldig gemacht?«
    »Nur der, Herrin, Euch unverbrüchlich weiter zu lieben, Euch
anzubeten und Euch mein Leben zu Füßen zu legen.« Es kostete ihn große Mühe,
angesichts ihrer strahlenden Erscheinung nicht noch poetischer zu werden. Sie
durfte die Ernsthaftigkeit seines Ansinnens keinesfalls infrage stellen. »Und
damals konnte ich die vierzig Tage nicht vollenden, da ich im Auftrage des
erlauchten Herrn Königs Clara aus Marmande herausschaffen musste.«
    »In der Tat, da hast du heldenhaft gehandelt«, fiel Blanka in die
vertrauliche Anrede zurück. Clara. Eine kalte Hand griff nach ihrem Herzen.
Clara musste schon längst wieder im gefährlichen Süden sein. Wie nur konnte sie
das Mädchen schützen, das ihr fast so nahe war wie eine eigene Tochter?
Clara, die sich in einer Aufwallung unverständlicher Gefühle einer
lebensgefährlichen Sache verschrieben hatte, von der sie doch gar nichts
verstehen konnte. Warum war ihr, Blanka, entgangen, dass sich Clara am
Königshof so gelangweilt hatte, dass sie bei den Häretikern Zerstreuung gesucht
hatte? Eine andere Deutung für Claras Entscheidung konnte und wollte Blanka
nicht gelten lassen.
    Sie musterte Theobald so lange
schweigend, dass er schon befürchtete, sie würde ihn ohne ein weiteres Wort
wieder fortschicken, ein unerträglicher Gedanke. Umso mehr überraschten ihn
ihre nächsten Worte: »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Theobald. Denn ich
habe einen Auftrag, den nur du auszuführen imstande bist. Komm heute Abend zu
den königlichen Gemächern, dann werde ich dir weitere Anweisungen geben.«
    Sie strahlte ihn an. Soeben war ihr ein Gedanke gekommen, wie sie
Clara beschirmen und das zwei Monate zuvor abgelegte Gelübde vielleicht doch
noch würde halten können. Eine abenteuerliche Idee, deren Ausführung mit großen
Beschwernissen verbunden war. Eine Idee, die nicht zwangsläufig das gewünschte
Ergebnis erzielen würde. Aber sie erschien ihr als die einzige Möglichkeit, in
das Schicksal einzugreifen. Theobald könnte ihr dabei von großem Nutzen sein.
Sie vertraute auf seine Findigkeit.
    Vor Glück zitternd, beugte sich der Graf von Champagne vor und
küsste Blankas Rocksaum. Endlich war er wieder heimgekehrt. Sein Herz
jubilierte und gab ihm Verse ein, die ungebremst von seinen Lippen perlten:
    »Geliebte, holde Königin,
mit jedem Reiz geschmückt,
für Euch geb ich mein Leben hin,
so habt Ihr mich entzückt.
Ich stehl den Mond vom Himmelszelt
und pflück Euch alle Sterne,
für Euch geh ich ans End der Welt
und in noch weit’re Ferne.«
    Blanka lehnte sich vergnügt auf ihrem Thron zurück. Es tat
so gut, Theobald wieder singen zu hören. Sie bedauerte fast, ihn so schnell
schon wieder fortschicken zu müssen. Zudem noch in einen Krieg, aus dem er
vielleicht nicht zurückkehren würde. Obwohl den mächtigen Herren in aller Regel
selten selbst etwas geschah. Der Graf las ihren erwartungsvollen Blick richtig
und setzte noch ein paar Verse hinzu:
    »Ich danke Euch für Eure Huld,
für alle Eure Bitten,
für Eure heutige Geduld,
jetzt hab’ ich ausgelitten!
Ach, nehmt mich gnädig wieder auf,
ich weihe Euch mein Leben,
ich gebe Euch mein Wort darauf:
Nie werd’ ich mich erheben …«
    Bei diesen Worten verengten sich Blankas Bronzeaugen. »Und
wenn dich die bösen Barone, die ihre unzureichende Macht beklagen, wieder
einfangen?«, unterbrach sie den Gesang. »Auf wessen Seite wirst du dich dann
stellen?«
    »Ich stand und stehe immer auf der Euren!«, versicherte er eilig.
»Das war damals nur ein übles

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