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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Worte zertrümmert, die
kurz zuvor darin Platz genommen hatten. Die verlorenen Gedanken quälten sie
weitaus mehr als Theobalds eindringliches Werben um ihre Rückkehr. Werben.
Liebe. Clara atmete tief aus. Wenigstens ein Wort hatte sie jetzt aus den
Ruinen der Erinnerung geborgen.
    Sie lächelte dankbar.
    »Aber genau das tust du, wenn du nicht mit mir zurückkehrst«,
drängte Theobald sie. Ihr Lächeln ermutigte ihn. »Was meinst du, warum mich
Gott dir hinterhergesandt hat!«
    »Ich dachte, das sei Blanka gewesen«, erwiderte Clara.
    »Die, wie wir alle, auch nur ein Werkzeug des Herrn ist«, gab
Theobald unverdrossen zurück.
    »Sprich nicht von Dingen, von denen du nichts verstehst!«, rief
sie, die doch auch nichts mehr von dem verstand, was in ihr vorgegangen war.
    »Aber du, ja?«, fuhr Theobald auf. Er war jetzt ernstlich wütend
und ärgerte sich, nicht ein wenig fester zugeschlagen zu haben. Damit hätte er
sich diese müßige Diskussion, die sich schon Stunden hinzuziehen schien,
ersparen und Clara, auf einen Gaul gebunden, einfach mit sich führen können. Es
passte ihm überhaupt nicht, dass die Frau ihre Stimme wiedergefunden hatte.
»Mit deiner Ketzerei bringst du dich und andere Leute andauernd in Gefahr.«
    »Die Gefahr geht vom Papst und vom französischen König aus!«, gab
Clara heftig zurück. »Die ermorden mehr Menschen als sämtliche Strauchdiebe der
Welt.«
    »Der König nicht mehr!«, entfuhr ihm.
    »Was!« Verblüfft starrte Clara Theobald an. »Hast du Nachricht vom
Ende dieses Kreuzzugs?«
    Er biss sich auf die Lippen.
    »In Avignon sind fürchterliche Seuchen ausgebrochen, und Ludwig war
schon sehr krank, als ich ihn dort verließ«, improvisierte er vorsichtig.
    »Davon höre ich zum ersten Mal!«, gab Clara ungläubig zurück.
Etienne hatte zwar von vielen Krankheiten im königlichen Lager gesprochen, aber
kein Wort über einen schlechten Gesundheitszustand des Königs verloren.
    »Was meinst du, was geschehen wäre, wenn die Okzitanier Wind vom
Sterben des Königs bekommen hätten?«
    »Er ist schon tot?!«
    Theobald zuckte mit den Schultern und brummte: »Woher soll ich das
wissen? Ich kann nur sagen, dass es ihm schlecht erging und es keinerlei
Hoffnung mehr gab, als ich ihn deinetwegen verließ.«
    »Und Blanka ist völlig ahnungslos«, flüsterte sie. Wie Engel mit
Dämonen kämpften in ihr zwei widerstreitende Gefühle. Sie hasste den König von
Frankreich, der Felizian und die Seinen ermordet hatte, der aufgebrochen war,
um gute Menschen zu töten, und sie liebte den Gemahl, dem Blanka so inniglich
zugetan war, der sie glücklich machte und der ihr, Clara, immer nur mit
ausgesuchter Liebenswürdigkeit begegnet war. Ich darf nicht hassen, dachte sie
betroffen; ich muss endlich begreifen, dass der Mensch keine Wahl hat, Gutes oder
Böses zu tun. Felizian hat das verstanden. Er hat nie gehasst. Er hat die
andere Wange hingehalten. Und er ist tot.
    Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Blanka vom Tod Ludwigs
erfuhr. Sie wäre imstande, sich auf der Stelle selbst zu entleiben. Sie würde
nicht an die Kinder denken, die sie mutterlos zurückließ, sondern nur daran,
sich im Jenseits wieder mit Ludwig vereinigen zu können.
    Clara entsann sich eines
Gesprächs, das sie als etwa Zwölfjährige mit Blanka geführt hatte. Die damalige
Kronprinzessin hatte sie gefragt, wie sie ein Leben ohne Mutter ertragen könne.
    »Aber ich habe doch dich«, hatte die kleine Clara vertrauensvoll
geantwortet.
    Blanka hatte sie in den Arm genommen und laut gesagt: »Das ist
wahr. Ich liebe dich wie eine Tochter. Und sollte mir etwas zustoßen, dann
wirst du imstande sein, meinen Kindern zu helfen, woanders eine mütterliche
Liebe zu finden, Clara.« Und so leise, dass sie es kaum verstehen konnte, es
aber deswegen besonders in ihrem Herzen bewahrt hatte, schob Blanka einen Satz
hinterher: »Nur für Ludwig wird niemand etwas tun können, denn er und ich
sind eins und niemals zu trennen, sodass des einen Tod unweigerlich auch der
des anderen ist.«
    Theobald sah Clara hoffnungsvoll an.
    »Du siehst also, dass du mitkommen musst, um unsere Herrin
aufzufangen, wenn die böse Nachricht eintrifft.«
    Blanka war in höchster Not. Und sie wusste es nicht einmal. Clara
hatte keine Wahl. Sie nahm den Arm des Troubadours und sagte: »Wir müssen
augenblicklich zurück zu Blanka!«
    Theobald nickte erleichtert. Er hatte sein Ziel erreicht, war sich
aber noch ungewiss, um welchen Preis.
    Gegen die

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