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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Begleiter des Grafen
von Champagne ziemlich schnell hinter die wahre Identität der französischen
Pilgerin kamen. Dafür verhielten sich deren eigene Begleiter zu devot und
machten zu viele Anspielungen. Schon zu Beginn der Rückreise avancierte Blanka
von einer unbekannten feinen Dame über eine Baronin zu einer gräflichen Hofdame
und nach einem Tag schließlich zur Königin höchstselbst.
    Nur noch drei Männer waren der Königin verblieben. Zwei hatten über
die Beschwerlichkeiten der Reise das Zeitliche gesegnet, und die anderen hatten
sie im Garten der Kapelle von Assisi um ihren Abschied angefleht, da sie den
Rest ihres Lebens in der Bruderschaft verbringen wollten. Niemals hätte Blanka
ihnen das versagen können, wiewohl sie mit Verdruss ihrer so wenig geschützten
Heimreise gedachte.
    Das Auftauchen Theobalds mit seiner kleinen Schar enthob sie dieser
Sorge. Dass es ihm zudem gelungen war, ihr Clara – einmal mehr – zuzuführen,
stimmte sie so gnädig, dass sie ihm die Wange zum Kuss reichte.
    Nie zuvor war er dem Objekt seiner Anbetung so nahe gewesen, nie
zuvor war er von einem solchen Hochgefühl erfüllt. »Mit Bangen berühr ich den
Samt deiner Wangen. Seit Langem gebührt’s sich, dich zu umfangen. Verlangen
verspür ich, dies Amt zu erlangen.«
    Dieses Lied war noch längst nicht vollkommen. Er musste daran
arbeiten, es ihr später als sein Meisterwerk vorstellen. Später. Wenn sie frei
war. Mit der verbesserten Version dieses Gedichts wollte er um sie werben.
Nicht als Troubadour, der wie ein gehobener Hofnarr Erbauliches zur
Unterhaltung absonderte, sondern als Mann,
der die Frau heimzuführen gedachte, die schon immer für ihn bestimmt gewesen
war. Als Gemahl der Königin, die nicht für ihren kleinen Sohn Ludwig die
Regentschaft übernehmen, sondern selbst herrschen sollte. Und nach der
Volljährigkeit ihres Sohnes würde sie gemeinsam mit ihm das Reich weiter
verwalten. Die Aussicht einer solchen Macht hätte wohl jeden Mann schwindlig gemacht,
Theobald beflügelte aber einzig der Gedanke, sein Lebensziel zu erreichen und
Blanka endlich besitzen zu dürfen.
    Über all die vielen Jahre hinweg war Blanka für ihn ungealtert und
die schönste und begehrenswerteste Frau der Welt geblieben. Hätte ihn jemand
auf die Zeichen des Alters aufmerksam gemacht, hätte es die Sehnsucht nicht
gemildert. Er hätte davon geträumt, jede Runzel zu liebkosen, jeden Zoll der
welker werdenden Haut mit Küssen zu bedecken.
    »Hast du es ihr gesagt?«
    Clara baute sich vor ihm in der Gästehalle jener Abtei nahe Macôn
auf, in der sie zu Abend gegessen hatten. Er verwischte die Kohleschrift auf
dem grob gezimmerten Tisch vor sich und schüttelte den Kopf.
    »Ich bringe es nicht übers Herz«, gestand er. »Und außerdem weiß ich
nichts Genaues.«
    »Mach Platz«, sagte Clara, als säße er nicht allein auf einer
unendlich langen, nahezu leeren Bank. Er hob die Schultern.
    »In welche Richtung?«, fragte er und setzte hinzu: »Ist dir
meine Nähe derart zuwider?«
    Augenblicklich fiel ihm dazu ein unwiderstehlicher Reim ein, der
vorzüglich in sein noch fertig zu komponierendes Lied passte. Ein Lächeln
erschien auf seinem Gesicht. Man hätte es als
töricht, als versonnen oder als verlegen deuten können.
    Clara traf es mitten ins Herz. Erst jetzt erinnerte sie sich wieder
an Etiennes Worte. Die Tragweite dieser Offenbarung erschütterte sie dermaßen,
dass sie sich ohne eine Entgegnung so dicht neben Theobald niederließ, dass
dieser einen Zoll abrückte.
    Ihr
seid ständig in seinem Herzen. Er hat vor Angst und Sehnsucht gebebt, als er
von Euch sprach. Nur darum hat er sich vom König losgesagt .
    Nur meinetwegen, dachte sie überwältigt, nur meinetwegen ist
Theobald hier. Meinetwegen hat er den König im Stich gelassen, ist meinetwegen
nach Italien gereist, um mich in Sicherheit zu wissen. Und hat meinetwegen die
Königin verlassen, um mich zurückzuholen. Wie undankbar ich doch bin. Und wie blind!
    Sie verstieg sich in weitere Gedanken, erinnerte sich an die Szene
in Blankas Kemenate, nach der sie Felizian begegnet war. So weit hat sich Theo
vorgewagt und dann doch den Mut verloren, überlegte sie. Er hat Agnes erwählt,
weil sie neben Blanka stand, aber immer mich gemeint. So etwas hat er später ja
auch angedeutet. Wie falsch ich alles aufgefasst habe! Jetzt weiß ich: Er
hatte Angst vor meiner Zurückweisung.
    Und nach der Krönung … wie könnte sie jemals die Verzweiflung
vergessen, die sich

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