Die Kathedrale der Ketzerin
zuliebe auf eine solche
gefahrvolle Reise begeben hatte, dies aber auf die tiefe Frömmigkeit Blankas
zurückgeführt, die ihr Gelübde hatte einhalten wollen. Die aber auch um das
Leben ihres Mannes fürchtete. Vielleicht hatte sie den Papst deswegen um
Abbruch des Kreuzzuges bitten wollen.
Clara blickte sich um. Über all diese Gedanken war sie in eine
landschaftlich gänzlich andere, in eine sehr hügelige Gegend gelangt. Die Füße
schmerzten ihr, und die Sonne war hinter einem Berg verschwunden. An den
Weinstöcken hingen dichte Reben. Ein guter Ort, um auszuruhen. Sie sollte die
Nacht hier verbringen. Während sie Trauben für ihr Abendmahl sammelte und dabei
darauf achtete, kein kleines Lebewesen mit Händen oder Füßen zu schädigen,
dachte sie an die Ankunft in Rom. Überlegte, wie Theobald sehr schnell erfahren
hatte, wo eine arme, aber dennoch seltsam vornehm wirkende Pilgerin wohnte, und
wie er deren Weiterreise nach Assisi ausfindig gemacht hatte. Wie sie selbst
voller Hoffnung gewesen war, eine Königin vorzufinden, die gleich ihr dem
himmlischen Licht zustrebte. Clara legte sich auf einer Grasnabe des Weinbergs
zurück, und gerade, als sie voller Freude in einem Wolkenbildnis das Profil
Felizians zu erkennen glaubte, traf sie ein Schlag, der es für ein paar
Augenblicke Nacht um sie werden ließ.
Zur gleichen Zeit hielt sich Blankas Gemahl, König Ludwig,
ebenfalls in einem Weinberg auf. Mit einem gewissen Bedauern betrachtete er die
mit drallen reifen Trauben behangenen Reben. Dieser Wein, der vor den Toren von
Toulouse so prächtig gedieh, sollte nie geerntet werden.
»Alles verwüsten«, sprach er, »jedes Feld, jeden Acker, jede Wiese,
jeden Weinberg. Wenn wir Toulouse schon nicht einnehmen können, dann soll Graf
Raimund künftig über ein ödes Land gebieten.
Mit ihm selbst werden wir später abrechnen.«
Wie schon sieben Jahre zuvor hatte er auch diesmal den Gedanken
aufgegeben, die vorzüglich befestigte Stadt zu belagern. Zu sehr hatten sich
die Reihen seiner Streitmacht gelichtet. Nach dem Abfall des Grafen von
Champagne hatten ihn auch viele andere Barone mit ihren Männern verlassen, und
eine große Anzahl seiner Edlen war Krankheiten zum Opfer gefallen. Am meisten
betrauerte der König den Tod von Guillaume de Joinville, jenes Erzbischofs von
Reims, der ihn drei Jahre zuvor zum König gekrönt hatte.
Ihm selbst ging es trotz der schweren Strapazen gesundheitlich
erstaunlich gut. Während die Männer um ihn herum von feindlichen Ausfällen und
allen möglichen Krankheiten wie Fliegen zerschlagen wurden, blieb er
unangetastet und heil. Aus dem zarten Kind, um dessen Leben sein Vater König
Philipp jahrelang gebangt und dem jeder Arzt ein kurzes Leben beschieden hatte,
war ein kräftiger Löwe geworden, den nichts so schnell umhauen konnte. Der
allerdings auch begriffen hatte, dass er seine Kräfte und vor allem die der
verbliebenen Getreuen jetzt schonen musste.
Es war Zeit, den Kreuzzug abzubrechen. Ludwig bedachte, wie viel er
erreicht hatte. Doch den Triumph, die Vizegrafschaft Béziers-Carcassonne mit
Nîmes, Beaucaire, Narbonne, Carcassonne, Montpellier, Pamiers und Castres
kampflos erobert zu haben, konnte er so lange nicht wirklich auskosten, wie
Toulouse immer noch als Stachel im Fleisch seines Reichs steckte.
Irgendwann würde er Graf Raimund in die Knie zwingen. Aber nicht
mehr auf diesem Kreuzzug. Jetzt würde er erst einmal die Landschaft um Toulouse
genauso verwüsten, wie es der widerspenstige Graf mit der Gegend um Avignon
getan hatte.
Als Abzugsdatum setzte König Ludwig seinen Namenstag, den 25. Oktober, fest.
Er kappte eine violett leuchtende Traube von einem Weinstock.
Blanka, dachte er, während er eine Beere nach der anderen auf der Zunge
zergehen ließ, wie du mir fehlst! Du, meine Kinder und unser glückliches
Leben. Freue dich, geliebte Frau, ich kehre bald heim.
Als Clara wieder zu sich kam, ließ sie sich nicht ohne
Weiteres von Theobald zur Rückkehr bewegen. Sie bestand darauf, ihren eigenen
Weg allein weiterzugehen, und befahl ihm, sie in Ruhe zu lassen.
»Das Land ist voller Strauchdiebe!«, rief Theobald. »Hätte ich
deine Angreifer nicht verjagt, wärst du vielleicht schon tot!«
Clara zuckte mit den Schultern.
»Wer bin ich, mich dem Willen Gottes zu widersetzen?« Sie fasste
sich an den immer noch leicht brummenden Schädel.
Der Schlag hatte sie nicht nur in eine kurze Bewusstlosigkeit
geschleudert, sondern auch die bedeutsamen Bilder und
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