Die Kathedrale des Meeres
und wenn Arnau nicht delirierte, ließ Sahat sie herein.
»Er ist ein Soldat«, stellte Jucef einmal mit großen Augen fest.
»Zumindest war er einer«, antwortete Sahat.
»Er hat gesagt, er sei ein Bastaix«, korrigierte Raquel.
»In dem Versteck erzählte er uns, er sei Soldat. Vielleicht ist er Bastaix und Soldat.«
»Das hat er nur gesagt, damit du Ruhe gibst.«
»Ich würde wetten, dass er ein Bastaix ist«, sagte Hasdai. »Nach dem, was er so erzählt.«
»Er ist ein Soldat«, beharrte der Jüngste.
»Ich weiß es nicht, Jucef.« Der Sklave fuhr ihm über das schwarze Haar. »Warum warten wir nicht, bis er gesund ist und es uns selbst erzählt?«
»Wird er wieder gesund?«
»Ganz bestimmt. Hast du schon einmal einen Soldaten wegen einer Wunde am Bein sterben gesehen?«
Als die Kinder gegangen waren, trat Sahat zu Arnau und legte die Hand auf seine Stirn, die nach wie vor glühte. »Nicht nur die Kinder verdanken dir ihr Leben, Christ. Warum hast du das getan? Was hat dich dazu bewegt, dein Leben für einen Sklaven und drei jüdische Kinder aufs Spiel zu setzen? Streng dich an! Du musst leben. Ich möchte mit dir sprechen, dir danken. Außerdem ist Hasdai sehr reich und wird dich gewiss belohnen.«
Einige Tage später begann sich Arnaus Zustand zu bessern. Eines Morgens stellte Sahat fest, dass er sich weniger heiß anfühlte.
»Allah hat mich erhört, sein Name sei gepriesen.«
Hasdai lächelte, nachdem er sich selbst vergewissert hatte.
»Er wird durchkommen«, versicherte er seinen Kindern.
»Und mir von seinen Schlachten erzählen?«
»Junge, ich glaube nicht …«
Aber Jucef machte vor, wie Arnau seinen Dolch vor den Angreifern geschwungen hatte. Als er gerade so tat, als wollte er dem am Boden Liegenden die Kehle durchschneiden, packte ihn seine Schwester beim Arm.
»Jucef!«, rief sie.
Als sie sich zu dem Kranken umdrehten, sahen sie, dass er die Augen geöffnet hatte. Jucef errötete.
»Wie geht es dir?«, fragte Hasdai.
Arnau versuchte zu antworten, doch sein Mund war trocken. Sahat reichte ihm ein Glas Wasser.
»Gut«, gelang es ihm zu sagen, nachdem er getrunken hatte. »Und die Kinder?«
Ihr Vater schob Jucef und Raquel ans Kopfende des Bettes. Arnau lächelte schwach.
»Hallo«, sagte er.
»Hallo«, antworteten sie ihm.
»Und Saúl?«
»Es geht ihm auch gut«, antwortete Hasdai. »Aber jetzt musst du ausruhen. Kommt, Kinder.«
»Wenn du wieder gesund bist, erzählst du mir dann von deinen Schlachten?«, fragte Jucef noch, bevor sein Vater und seine Schwester ihn aus dem Zimmer zogen.
Arnau nickte und versuchte zu lächeln.
Im Laufe der darauffolgenden Woche verschwand das Fieber ganz und die Wunde begann zu heilen. Arnau und Sahat unterhielten sich, sooft der Bastaix die Kraft dazu hatte.
»Danke«, war das Erste, was der Sklave sagte.
»Du hast dich schon bedankt, erinnerst du dich?«
»Warum hast du das getan?«
»Die Augen der Kinder … Meine Frau hätte nicht zugelassen, dass …«
»Maria?«, fragte Sahat, sich an Arnaus Fieberdelirien erinnernd.
»Ja«, antwortete Arnau.
»Sollen wir ihr Bescheid geben, dass du hier bist?« Arnau presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Gibt es jemanden, den wir benachrichtigen sollen?« Der Sklave fragte nicht weiter, als er sah, wie sich Arnaus Gesicht verdüsterte.
»Wie ist die Belagerung ausgegangen?«, fragte Arnau Sahat ein andermal.
»Zweihundert Männer und Frauen wurden ermordet und viele Häuser wurden geplündert oder in Brand gesetzt.«
»Was für ein Unglück!«
»Kein sehr großes«, wandte Sahat ein. Arnau sah ihn überrascht an. »Die jüdische Gemeinde von Barcelona hat noch Glück gehabt. Vom Orient bis nach Kastilien hat man die Juden gnadenlos ermordet. Mehr als dreihundert Gemeinden wurden völlig vernichtet. In Deutschland hat Kaiser Karl IV. jedem Straffreiheit zugesichert, der einen Juden tötet oder ein Judenviertel zerstört. Kannst du dir vorstellen, was in Barcelona geschehen wäre, wenn unser König allen, die einen Juden umbringen, Straffreiheit zugesichert hätte, statt die Juden zu schützen?« Arnau schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »In Mainz wurden sechstausend Juden verbrannt, und in Straßburg führte man gleich zweitausend auf einmal auf einen riesigen Scheiterhaufen auf dem jüdischen Friedhof, auch Frauen und Kinder. Zweitausend auf einmal …«
Die Kinder durften nur in Arnaus Zimmer, wenn Hasdai den Kranken besuchte und dafür sorgen konnte, dass
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