Die Kathedrale des Meeres
lassen, ihm Angst einzujagen. Mit dem Ruf »Sant Jordi!« ging Arnau mit dem Messer auf die Umstehenden los. Er stieß dem Ersten die Klinge in den Leib, dann fuhr er herum, sodass diejenigen, die sich auf ihn stürzen wollten, zurückwichen. Der Dolch zerschlitzte mehr als einem die Brust. Am Boden liegend, stieß ihm einer der Angreifer ein Messer in die Wade. Arnau sah ihn an, packte ihn am Schopf, zog seinen Kopf nach hinten und schnitt ihm die Kehle durch. Blut sprudelte aus der Wunde. Drei Männer lagen am Boden, die Übrigen begannen zurückzuweichen. »Flieh, wenn die Lage schlecht für dich steht«, hatte man ihm geraten. Arnau tat so, als wollte er sich erneut auf seine Widersacher stürzen. Die Leute liefen durcheinander, während sie versuchten, sich von ihm zu entfernen. Ohne sich umzudrehen, winkte er den Mauren zu sich heran. Als er die schlotternden Kinder an seinen Beinen spürte, begann er rückwärts in Richtung Meer zu gehen, ohne die Angreifer aus den Augen zu lassen.
»Im Judenviertel wartet man auf euch«, rief er der Menge zu, während er die Kinder vor sich herschob.
Als sie das alte Stadttor am Castell de Regomir erreichten, begannen sie zu laufen. Ohne nähere Erklärungen hinderte Arnau die Kinder daran, zum Judenviertel zurückzukehren.
Wo konnte er die Kinder verstecken? Arnau führte sie zur Kirche Santa María. Vor dem Hauptportal blieb er unvermittelt stehen. Von dort, wo sie standen, konnte man durch die noch nicht fertiggestellten Mauern ins Innere des Baus sehen.
»Ihr … Ihr wollt die Kinder doch nicht etwa in einer christlichen Kirche verstecken?«, fragte ihn der Sklave keuchend.
»Nein«, antwortete Arnau. »Aber ganz in der Nähe.«
»Weshalb habt Ihr uns nicht in unsere Häuser zurückkehren lassen?«, fragte nun das Mädchen, offensichtlich die Älteste der drei, der das Laufen nicht so zugesetzt hatte wie den Übrigen.
Arnau betastete sein Wade. Die Wunde blutete stark.
»Weil eure Häuser von diesen Leuten überfallen werden«, antwortete er. »Sie geben euch die Schuld an der Pest. Sie behaupten, ihr hättet die Brunnen vergiftet.«
Niemand sagte ein Wort.
»Es tut mir leid«, erklärte Arnau.
Der muslimische Sklave fasste sich als Erster.
»Hier können wir nicht bleiben«, sagte er, während er darauf bestand, Arnaus Bein zu untersuchen. »Tut, was Ihr für richtig haltet, aber versteckt die Kinder.«
»Und du?«, wollte Arnau wissen.
»Ich muss herausfinden, was mit ihren Familien passiert ist. Wie kann ich die Kinder wiederfinden?«
»Das kannst du nicht«, entgegnete Arnau, während er dachte, dass er ihm im Augenblick nicht den Zugang zu dem römischen Friedhof zeigen konnte. »Ich werde dich finden. Komm um Mitternacht an den Strand beim neuen Fischmarkt.«
Der Sklave nickte. Als sie bereits auseinandergehen wollten, fügte Arnau hinzu: »Wenn du drei Nächte hintereinander nicht erscheinst, gehe ich davon aus, dass du tot bist.«
Der Maure nickte erneut und sah Arnau aus seinen großen, schwarzen Augen an.
»Danke«, sagte er, bevor er in Richtung Judenviertel davonrannte.
Das kleinste Kind versuchte, dem Mauren hinterherzulaufen, doch Arnau hielt es an den Schultern fest.
In dieser ersten Nacht kam der Maure nicht zum verabredeten Ort. Arnau wartete über eine Stunde auf ihn. Er hörte den fernen Lärm der Unruhen im Judenviertel und sah in den von Bränden rot erleuchteten Nachthimmel. Während er wartete, hatte er Zeit, über die Ereignisse dieses verrückten Tages nachzudenken. Er hatte drei jüdische Kinder in der römischen Begräbnisstätte unter dem Hauptaltar von Santa María, der Kirche seiner Schutzpatronin, versteckt. Der Eingang zu dem Friedhof, den er und Joanet damals entdeckt hatten, war noch genauso wie beim letzten Mal, als sie dort gewesen waren. Die Eingangstreppe in der Calle del Born war immer noch nicht fertiggestellt und das Holzgerüst erleichterte ihnen den Zugang. Doch wegen der Wächter, die fast eine Stunde lang auf der Straße ihre Runde machten, hatten sie still zusammengekauert auf eine Gelegenheit warten müssen, bis sie unter das Gerüst kriechen konnten.
Die Kinder folgten ihm widerspruchslos durch den dunklen Tunnel, bis Arnau ihnen sagte, wo sie sich befanden, und ihnen riet, nichts anzufassen, wenn sie keine unangenehme Überraschung erleben wollten. Daraufhin brachen die drei in bittere Tränen aus. Arnau wusste nicht, wie er auf ihr Schluchzen reagieren sollte. Maria hätte bestimmt gewusst, wie man
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