Die Kathedrale des Meeres
Um euer aller Familien!«
Der Hafenschiffer sah zu dem großen, bauchigen Schiff hinüber. Er brauchte nur ein klein wenig vom Kurs abzuweichen. Warum nicht? Weshalb sollte er Arnau Estanyol enttäuschen?
»Zum Walfänger!«, befahl er den beiden Ruderern.
Als Arnau und Guillem die Strickleiter erklommen, die ihnen der Kapitän des Walfängers zuwarf, nahm der Hafenschiffer Kurs auf die nächste Galeere.
»Alle Mann an die Riemen«, befahl Arnau dem Kapitän, kaum dass er an Deck stand.
Der Mann gab den Ruderern ein Zeichen, die sich sofort auf ihre Plätze begaben.
»Wo geht es hin?«, fragte er.
»Zu den Sandbänken«, antwortete Arnau.
Guillem nickte.
»Möge Allah – sein Name sei gelobt und gepriesen – wollen, dass es dir gelingt.«
Guillem hatte verstanden, was Arnau vorhatte. Nicht so jedoch das Heer und die Bürger Barcelonas. Als sie sahen, wie sich der Walfänger ohne Soldaten und ohne bewaffnete Männer an Bord in Bewegung setzte, dem offenen Meer zu, sagte einer: »Er will sein Schiff retten.«
»Jude!«, schrie ein anderer.
»Verräter!«
Viele andere fielen in die Verwünschungen mit ein, und nach kurzer Zeit brüllte der ganze Strand gegen Arnau an. Was hatte Arnau Estanyol vor?, fragten sich Bastaixos und Hafenschiffer, während sie zu dem bauchigen Schiff hinübersahen, das unter den Schlägen von über hundert Rudern, die immer wieder ins Wasser tauchten, langsam vorwärtsglitt.
Arnau und Guillem standen im Bug und beobachteten die kastilische Flotte, die mittlerweile gefährlich nahe war, doch als sie an den katalanischen Galeeren vorbeikamen, ging ein Pfeilhagel auf sie nieder, und sie mussten in Deckung gehen. Als sie außer Reichweite waren, nahmen sie wieder ihren Posten ein.
»Es wird gutgehen«, sagte Arnau zu Guillem. »Barcelona darf nicht in die Hände dieses Schuftes fallen.«
Die Tasques , eine Reihe von Sandbänken, die der Küste vorgelagert waren und die Meeresströmungen fernhielten, waren die einzige natürliche Verteidigungsanlage des Hafens von Barcelona. Gleichzeitig jedoch stellten sie eine Gefahr für ankommende Schiffe dar. Diese konnten das Hindernis nur an einer einzigen Stelle passieren, die tief genug war, andernfalls liefen sie auf.
Arnau und Guillem näherten sich den Sandbänken, während ihnen aus Tausenden von Kehlen die übelsten Beschimpfungen hinterhergeschickt wurden. Das Gebrüll der Katalanen übertönte sogar das Läuten der Glocken.
»Es wird gutgehen«, sagte Arnau bei sich. Dann befahl er dem Kapitän, das Rudern einzustellen. Als die Ruder aus dem Wasser tauchten und der Walfänger auf die Sandbänke zuglitt, begannen die Schreie und Beschimpfungen zu verstummen, bis schließlich völlige Stille am Strand herrschte. Die kastilische Flotte kam immer näher. Durch das Glockengeläut hindurch hörte Arnau den Kiel des Schiffes durchs Wasser gleiten, auf die Untiefen zu.
»Es muss gutgehen!«, murmelte er.
Guillem packte ihn am Arm. Es war das erste Mal, dass er ihn anfasste.
Der Walfänger glitt langsam, ganz langsam vorwärts. Arnau blickte den Kapitän an und hob fragend die Augenbrauen. Waren sie in der Durchfahrt? Der Kapitän nickte. Seit Arnau ihm befohlen hatte, das Rudern einzustellen, wusste er, was dieser vorhatte.
Ganz Barcelona wusste es nun.
»Jetzt!«, brüllte Arnau. »Beidrehen!«
Der Kapitän gab den Befehl weiter. Die Backbordruder klatschten ins Wasser, und der Walfänger begann sich zu drehen, bis das Schiff quer in der Durchfahrt lag und sich zur Seite neigte.
Guillem drückte Arnau fest am Arm. Die beiden sahen sich an, und Arnau zog ihn an sich, um ihn zu umarmen, während am Strand und auf den Galeeren Jubel ausbrach.
Die Hafeneinfahrt von Barcelona war unpassierbar.
Vom Ufer aus sah der König, zum Kampf gerüstet, zu dem Walfänger hinaus, der auf den Sandbänken festsaß. Um ihn herum standen schweigend Adlige und Ritter, während der König die Szene betrachtete.
»Auf die Galeeren!«, befahl er schließlich.
Während Arnaus Walfänger auf den Sandbänken festsaß, formierte Pedro der Grausame seine Flotte auf offenem Meer. Pedro III. tat das Gleiche auf der Hafenseite, und bevor es Nacht wurde, lagen sich die beiden Flotten – auf der einen Seite eine waffenstarrende Armada von vierzig Kriegsschiffen, auf der anderen Seite zehn Galeeren und ein buntes Durcheinander Dutzender kleiner Kauffahrer und Fischerboote – über die gesamte Breite des Hafens gegenüber, von Santa Clara bis zum Kloster
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