Die Kathedrale des Meeres
Heuer auszuzahlen, während die Witwe behauptete, es habe sich nicht über einen Vertrag über eine bestimmte Anzahl von Monaten gehandelt, und folglich stehe ihr die Hälfte der ausgehandelten Heuer zu, da ihr Mann auf See gestorben sei.
»Fahrt fort«, ermunterte Arnau den Zeugen, während er die Witwe und die drei Kinder des Gestorbenen betrachtete.
»Kein Matrose heuert für eine bestimmte Anzahl von Monaten an …«
Plötzlich wurden die Türen des Gerichtssaals aufgestoßen, und sechs bewaffnete Soldaten der Inquisition drangen, angeführt von ihrem Hauptmann, in den Saal ein, wobei sie den Gerichtsdiener vor sich herstießen.
»Arnau Estanyol?«, wandte sich der Hauptmann direkt an ihn.
»Was hat das zu bedeuten?«, beschwerte sich Arnau. »Wie könnt Ihr es wagen, eine Gerichtsverhandlung zu stören?«
Der Hauptmann blieb genau vor Arnau stehen. »Bist du Arnau Estanyol, Seekonsul von Barcelona und Baron von Granollers?«
»Das wisst Ihr ganz genau, Hauptmann«, entgegnete ihm Arnau brüsk, »aber …«
»Im Namen der Heiligen Inquisition, Ihr seid verhaftet. Kommt mit mir!«
Die Missatges, die sich im Gerichtssaal befanden, wollten ihrem Konsul zu Hilfe eilen, doch Arnau gebot ihnen Einhalt.
»Seid so freundlich und tretet beiseite«, forderte Arnau den Inquisitionsbeamten auf.
Der Mann zögerte. Der Konsul bedeutete ihm ruhig, an der Tür zu warten. Ohne den Verhafteten aus den Augen zu lassen, trat der Hauptmann schließlich so weit beiseite, dass Arnau die Angehörigen des toten Seemanns wieder sehen konnte.
»Urteil zugunsten der Witwe und Kinder«, erklärte er ruhig. »Sie erhalten die Hälfte des Lohnes für die gesamte Fahrt und nicht nur für zwei Monate, wie vom Schiffseigner vorgesehen. Anordnung des Gerichts.«
Arnau klopfte mit der Hand auf den Tisch, stand auf und trat vor den Inquisitionsbeamten.
»Gehen wir«, sagte er.
Die Nachricht von Arnau Estanyols Verhaftung verbreitete sich in Barcelona und machte dann über Adlige, Händler und einfache Bauern die Runde in Katalonien.
Einige Tage später erreichte die Neuigkeit auch einen Inquisitor in einem Städtchen im Norden des Prinzipats, wo dieser gerade eine Gruppe von Einheimischen in Angst und Schrecken versetzte.
Joan sah den Inquisitionsbeamten an, der ihm die Nachricht überbrachte.
»Es scheint zu stimmen«, erklärte dieser.
Der Inquisitor sah seine Zuhörer an. Arnau verhaftet? Wie konnte das sein?
Er blickte erneut zu dem Beamten und dieser nickte mit dem Kopf.
Arnau?
Die Leute begannen, unruhig zu werden. Joan versuchte weiterzusprechen, aber er brachte kein Wort heraus. Ein weiteres Mal sah er den Beamten an und bemerkte ein Lächeln auf seinen Lippen.
»Fahrt Ihr nicht fort, Bruder Joan?«, wagte dieser zu sagen. »Die Sünder warten auf Euch.«
Joan betrachtete erneut die Zuhörer.
»Wir brechen nach Barcelona auf«, befahl er dann.
Auf dem Weg in die gräfliche Stadt kam Joan ganz in der Nähe der Besitzungen des Barons von Granollers vorbei. Hätte er nur einen kleinen Umweg gemacht, so hätte er sehen können, wie der Vogt von Montbui und andere, Arnau untergebene Grundherren umherzogen und die Bauern drangsalierten, die nun wieder den Gebräuchen unterworfen waren, die Arnau einst abgeschafft hatte. »Es heißt, die Baronin selbst habe Arnau angezeigt«, behauptete einer.
Doch Joan kam nicht durch Arnaus Besitz. Seit sie aufgebrochen waren, hatte er kein Wort mit dem Hauptmann oder einem anderen aus der Reisegesellschaft gewechselt, nicht einmal mit dem Schreiber. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass er ihre Unterhaltungen mit anhörte.
»Sieht so aus, als hätte man ihn wegen Ketzerei verhaftet«, sagte einer der Soldaten laut genug, damit Joan es hören konnte.
»Den Bruder eines Inquisitors?«, entgegnete ein anderer.
»Nicolau Eimeric wird schon alles aus ihm herausbekommen«, mischte sich nun auch der Hauptmann ein.
Joan erinnerte sich an Nicolau Eimeric. Wie oft hatte er ihn zu seiner Arbeit als Inquisitor beglückwünscht?
»Man muss die Häresie bekämpfen, Bruder Joan … Man muss die Sünde im Gewand des vorgeblich Guten suchen, in den Schlafgemächern der Leute, bei ihren Kindern und Ehepartnern.«
Und das hatte er getan. »Man darf nicht zögern, sie zu foltern, damit sie gestehen.« Auch das hatte er getan, immer wieder. Welche Folter hatte Eimeric wohl bei Arnau angewandt, damit sich dieser als Ketzer bekannte?
Joan ging schneller. Der schmutzige, zerschlissene schwarze
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