Die Kathedrale des Meeres
verkaufen, um ihn vor der Inquisition in Sicherheit zu bringen?«
Der Inquisitor blieb einen Moment neben Joan stehen.
»Du stinkst!«, rief er, während er auf Abstand ging und weiter mit den Armen fuchtelte. »Du stinkst wie ein gewöhnlicher Bauer.« Er stapfte erneut durch den Raum, um sich schließlich zu setzen. »Die Inquisition hat die Rechnungsbücher deines Bruders konfisziert. Es wird keine weiteren Verkäufe mehr geben.« Joan rührte sich nicht. »Ich habe weitere Besuche im Kerker untersagt, versuch also nicht, ihn zu sehen. In einigen Tagen beginnt der Prozess.«
Joan stand immer noch reglos da.
»Hast du nicht gehört? In wenigen Tagen werde ich deinem Bruder den Prozess machen.«
Nicolau schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Das war's! Verschwinde!«
Der Saum von Joans schmutzigem Habit schleifte über die glänzenden Fliesen im Arbeitszimmer des Generalinquisitors.
Joan blieb in der Tür stehen, damit sich seine Augen an das Sonnenlicht gewöhnen konnten. Mar stand draußen und erwartete ihn, die Zügel des Maultiers in der Hand. Da hatte er sie von ihrem Landgut hierhergeholt, und nun … Wie sollte er ihr beibringen, dass der Inquisitor Arnau jeden Besuch untersagt hatte? Wie sollte er auch noch die Schuld an diesem Verbot auf sich nehmen?
»Gehst du jetzt raus oder nicht, Mönch?«, hörte er eine Stimme hinter sich.
Joan drehte sich um und stand vor einer in Tränen aufgelösten Witwe. Die beiden sahen sich an.
»Joan?«, fragte die Frau.
Diese braunen Augen. Dieses Gesicht …
»Joan?«, fragte sie noch einmal. »Ich bin's, Aledis. Erinnerst du dich an mich?«
»Die Tochter des Gerbers«, erinnerte sich Joan.
»Was gibt's?«
Mar war zu ihnen getreten. Aledis sah, wie sich Joan der Frau zuwandte. Dann sah der Mönch wieder zu ihr, und wieder zu der Frau mit dem Maultier.
»Eine Freundin aus Kindertagen«, sagte er. »Aledis, darf ich dir Mar vorstellen? Mar, das ist Aledis.«
Die beiden Frauen begrüßten sich mit einem Kopfnicken.
»Das ist nicht der richtige Platz für einen Plausch.« Die drei drehten sich zu dem Wachsoldaten um. »Gebt den Eingang frei.«
»Wir wollten zu Arnau Estanyol«, sagte Mar laut. Sie hielt das Maultier am Halfter.
Der Soldat musterte sie von oben bis unten, dann erschien ein spöttisches Grinsen auf seinen Lippen.
»Dem Geldwechsler?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Mar.
»Der Generalinquisitor hat dem Geldwechsler Besuch untersagt.«
Der Soldat schob Aledis und Joan hinaus.
»Weshalb darf er keinen Besuch empfangen?«, fragte Mar, während die anderen beiden den Bischofspalast verließen.
»Das musst du den Mönch fragen«, antwortete er und deutete auf Joan.
Die drei gingen davon.
»Ich hätte dich gestern umbringen sollen, Mönch.«
Aledis sah, wie Joan zu Boden blickte. Er antwortete nicht einmal. Dann betrachtete sie die Frau mit dem Maultier. Sie ging aufrecht und zog entschlossen das Tier hinter sich her. Was mochte tags zuvor vorgefallen sein? Joan konnte sein blau geschwollenes Gesicht nicht verbergen und seine Begleiterin wollte zu Arnau. Wer war diese Frau? Arnau war mit der Baronin verheiratet, der Frau, die mit ihm auf dem Podest vor der Burg Montbui gestanden hatte, als er die Leibeigenschaft abschaffte …
»In wenigen Tagen beginnt der Prozess gegen Arnau.«
Mar und Aledis blieben wie angewurzelt stehen. Joan ging noch einige Schritte weiter, bis er merkte, dass die Frauen nicht mehr neben ihm waren. Als er sich umdrehte, sah er, dass sie sich stumm anblickten. Wer bist du?, schienen ihre Blicke zu fragen.
»Ich habe meine Zweifel, ob dieser Mönch eine Kindheit gehabt hat … und erst recht Freundinnen«, sagte Mar.
Aledis konnte keine Regung in ihrem Gesicht feststellen. Mar stand stolz da, ihre jugendlichen Augen schienen sie durchbohren zu wollen. Sogar das Maultier hinter ihr stand still, die Ohren gespitzt.
»Du bist sehr direkt«, sagte Aledis.
»Das Leben hat mich gelehrt, es zu sein.«
»Wenn mein Vater mich vor fünfundzwanzig Jahren gelassen hätte, hätte ich Arnau geheiratet.«
»Wenn man mich vor fünf Jahren wie einen Menschen behandelt hätte und nicht wie Vieh«, sagte Mar mit einem Seitenblick zu Joan, »wäre ich noch immer an Arnaus Seite.«
Erneut maßen sich die beiden Frauen mit Blicken.
»Ich habe Arnau seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen«, räumte Aledis schließlich ein. Ich will nicht mit dir konkurrieren, versuchte sie ihr in einer Sprache zu sagen, die nur Frauen
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