Die Kathedrale des Meeres
Lippen zu einer schmerzlichen Geste verzogen.
»Vergiss mich«, antwortete sie mit brüchiger Stimme.
Der Lärm von draußen ließ keine weiteren Gespräche und Gedanken mehr zu. Das Bürgerheer, nun vollständig versammelt, näherte sich der Plaza Nova. Es zog durch das alte Stadttor, am Palast des Stadtrichters vorbei, der das Schauspiel von einem der Fenster aus beobachtete, durch die Calle de los Seders zur Calle de la Boquería und von dort aus gegenüber der Kirche Sant Jaume, deren Glocke noch immer läutete, durch die Calle del Bisbe zum Bischofspalast.
Mar und Aledis sahen die Straße hinunter. Sie hielten sich immer noch so fest an den Händen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Die Leute wichen an die Hauswände zurück, um das Heer vorbeizulassen, zuerst das Banner der Bastaixos und deren Zunftmeister, dann den Baldachin mit der Jungfrau und dahinter in einem bunten Fahnenmeer die Banner sämtlicher Innungen der Stadt.
Der Stadtrichter weigerte sich, den Beamten der Inquisition zu empfangen.
»Der König hat keine Möglichkeit, sich in die Angelegenheiten des Bürgerheers von Barcelona einzumischen«, beschied ihm der königliche Beamte.
»Aber sie werden den Bischofspalast stürmen«, beschwerte sich, immer noch keuchend, der Gesandte der Inquisition.
Der Stadtrichter zuckte mit den Schultern. »Benutzt du dein Schwert nur zum Foltern?«, hätte er beinahe gesagt. Der Hauptmann der Inquisition bemerkte den Blick und die beiden Männer hüllten sich in Schweigen.
»Ich würde gerne sehen, wie es sich mit einem kastilischen Schwert oder einem maurischen Krummsäbel misst«, bemerkte der Beamte des Stadtrichters schließlich und deutete auf die Waffe. Dann spuckte er vor dem Inquisitionsbeamten aus.
Unterdessen war das Gnadenbild der Jungfrau vor dem Bischofspalast angekommen. Begleitet von den Rufen des Bürgerheers, schwankte es auf den Schultern der Bastaixos hin und her, die nicht viel anderes tun konnten, als sich dem Ungestüm der Barcelonesen anzuschließen.
Ein Stein wurde gegen die Bleiglasfenster geschleudert.
Der Erste traf nicht, wohl aber der Zweite und viele von denen, die noch folgten.
Nicolau Eimeric und Berenguer d'Erill entfernten sich von den Fenstern. Arnau wartete immer noch auf eine Antwort von Francesca. Keiner der beiden rührte sich.
Mehrere Personen warfen sich gegen die Tore des Palastes. Ein Junge begann die Mauer zu erklimmen, die Armbrust umgehängt. Die Menge feuerte ihn an. Andere folgten seinem Beispiel.
»Genug!«, rief einer der Ratsherren, während er versuchte, die Männer wegzudrängen, die gegen die Tür anrannten. »Genug! Niemand greift ohne Zustimmung der Stadt an.«
Die Männer an der Tür hielten inne.
»Niemand greift ohne Zustimmung der Ratsherren und Zunftmeister der Stadt an«, schärfte er ihnen noch einmal ein.
Die Männer vorne an der Tür verstummten und die Botschaft verbreitete sich über den ganzen Platz. Das Gnadenbild der Jungfrau hörte auf zu tanzen, Schweigen legte sich über die Menge, und alle sahen zu den sechs Männern empor, die sich an der Fassade hinaufhangelten. Der Erste hatte bereits das eingeschlagene Fenster des Gerichtssaals erreicht.
»Kommt herunter!«, war zu hören.
Die fünf Ratsherren der Stadt und der Zunftmeister der Bastaixos, der den Schlüssel des Marienschreins um den Hals trug, klopften am Tor des Palasts an.
»Öffnet dem Bürgerheer von Barcelona!«
»Aufmachen!« Der Inquisitionsbeamte hämmerte gegen das Tor des Judenviertels, das beim Vorbeimarsch des Bürgerheeres geschlossen worden war. »Aufmachen! Inquisition!«
Er hatte versucht, zum Bischofspalast zu gelangen, doch in sämtlichen Straßen, die dorthin führten, drängten sich die Menschen. Es gab nur einen Weg, zum Palast zu kommen: durch das angrenzende Judenviertel. Von dort aus konnte er zumindest seine Nachricht übermitteln: Der Stadtrichter würde nicht eingreifen.
Nicolau und Berenguer erhielten die Botschaft noch im Gerichtssaal: Die königlichen Truppen würden nicht zu ihrer Verteidigung ausrücken, und die Ratsherren drohten damit, den Bischofspalast zu stürmen, wenn man ihnen den Zutritt verwehrte.
»Was wollen sie?«
Der Beamte sah zu Arnau.
»Den Seekonsul befreien.«
Nicolau trat so nahe vor Arnau, dass sich ihre Gesichter beinahe berührten.
»Wie können sie es wagen?«, zischte er. Dann drehte er sich um und setzte sich wieder hinter den Richtertisch. Berenguer tat es ihm nach. »Lasst sie ein«, befahl
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