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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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Und wenn die offizielle Broschüre den Touristen den alten Friedhof ans Herz legte, warum versuchte Roger, ihn davon abzuhalten, den Friedhof zu besuchen? Wußte er etwas über die Abfalltonne? Und wenn es in Moose County keine Verbrechen gab, warum legte Tante Fanny dann so großen Wert darauf, eine Pistole bei sich zu tragen?
    Qwilleran wurde von Yum Yum geweckt, die auf seiner Brust saß; ihre blauen Augen bohrten sich in seine Stirn und übermittelten ihm eine unterschwellige Botschaft: Frühstück. Von den Schlafzimmerfenstern aus sah man jetzt nicht den See, sondern nur eine weiße Fläche. Der Nebel hatte sich wie eine dicke Decke über das Seeufer gelegt. Kein Lüftchen regte sich, es war totenstill.
Qwilleran versuchte, im Kamin Feuer zu machen, um die Feuchtigkeit zu vertreiben; er nahm die Zeitung vom Mittwoch und ein paar Streichhölzer von einem Heftchen aus dem Hotel, doch es funktionierte nicht. Am meisten beunruhigten ihn seine Hände und Handgelenke – das Jucken war unerträglich, und es bildeten sich schon münzgroße Blasen. Außerdem begann es ihn jetzt schon an allen möglichen Stellen zu jucken.
Ohne sich zu rasieren, kleidete er sich an, fütterte ohne große Umstände die Katzen, setzte sich ins Auto und fuhr vorsichtig durch den milchig-weißen Nebel. Sogar seine neue Schirmmütze ließ er zu Hause.
Auf der Main Street gab es einen Drugstore, und er zeigte dem Drogisten seine Blasen. »Haben Sie etwas dagegen?«
»Donnerwetter!« sagte der Drogist. »Das ist die schlimmste Reaktion auf Giftefeu, die ich je gesehen habe. Sie sollten sich lieber eine Spritze geben lassen.«
»Gibt es einen Arzt hier?«
»In der Cannery Mall ist eine Ambulanz. Kennen Sie das Einkaufszentrum? Zwei Meilen außerhalb der Stadt – es war früher mal eine Fabrik für Fischkonserven; jetzt gibt es dort Geschäfte und alles mögliche. Bei diesem Nebel werden Sie es nicht sehen können, aber Sie werden es riechen.«
Auf der Main Street war kaum ein Fahrzeug zu sehen. Qwilleran hielt sich verbissen an die gelbe Seitenlinie und an den Kilometerzähler, und nach zwei Meilen bestand kein Zweifel daran, daß er die Cannery Mall erreicht hatte. Er stellte sich zwischen zwei gelbe Linien auf den Parkplatz und folgte dem Geruch; er führte ihn zu einer Reihe von Glastüren, durch die er in eine Einkaufspassage gelangte.
Die Ärztepraxis roch, wie es sich gehörte, nach Desinfektionsmittel. Bis auf eine unscheinbare junge Frau an einem Schreibtisch war sie leer. »Ist ein Arzt hier?« fragte er.
»Ich bin der Arzt«, sagte sie und warf einen Blick auf seine Hand. »Wo haben Sie sich denn im Efeu herumgetrieben und diesen prachtvollen Ausschlag geholt?«
»Ich vermute, am alten Friedhof.«
»Wirklich? Sind Sie nicht ein bißchen alt für solche Sachen?« Sie warf ihm einen boshaften Blick zu.
Ihm war nicht nach solchen Scherzen zumute. »Ich habe mir die alten Grabsteine angesehen.«
»Das sagen sie alle. Kommen Sie mit in die Folterkammer, und ich gebe Ihnen eine Injektion.« Sie gab ihm auch eine Lotion und ein paar Ratschläge: »Fassen Sie nicht in heißes Wasser. Duschen Sie nicht mit warmem Wasser. Und halten Sie sich von alten Friedhöfen fern.«
Als er die Ambulanz verließ, war er ziemlich sauer. Er fand, die Ärztin hätte weniger schnoddrig sein und mehr Mitgefühl zeigen sollen. Als er jedoch im Schneckentempo durch den Nebel in die Stadt zurückfuhr, begann die Spritze zu wirken. Sie linderte nicht nur den Schmerz und das Jucken, sondern versetzte ihn auch in eine rauschartige Euphorie, und er dachte daran, daß die Ärztin schöne grüne Augen und die längsten Wimpern gehabt hatte, die er je gesehen hatte.
Im Hotel, wo er die Fahrt unterbrach und Kaffee und Eier bestellte, jammerten am Nebentisch vier Männer über das Wetter. »In dieser Suppe fahren die Boote nicht hinaus. Bestellen wir uns doch 'ne Flasche und machen wir ein Spielchen.«
Am Tisch hinter ihm sagte eine bekannte Stimme: »Wir fahren hier nicht weg (schnauf), bevor wir angeln waren.«
Eine schrille Stimme antwortete in ausdruckslosem Tonfall: »Warum bist du so stur? Angeln macht dir ja nicht mal Spaß.« »Das ist etwas anderes, ich habe es dir doch gesagt. Wir fahren mit Booten auf den See hinaus (schnauf), fischen mit einer Schleppangel und kommen vielleicht mit zwanzig Pfund Forellen zurück.«
»Du hast gesagt, es ist zu teuer.«
»Die Preise am großen Kai sind halsabschneiderisch, aber ich habe ein Boot aufgetrieben (schnauf), das uns

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