Die Katze die Brahms spielte
Blinker«, sagte Whatley. »Werfen Sie die Schnur über die Reling (schnauf) und bewegen Sie die Angelrute auf und ab.«
»Und dann?«
»Wenn einer anbeißt, merken Sie es schon. Lassen Sie die Schnur hinunter.«
Lustlos bewegte sich die Minnie K über den glatten See. Gelegentlich setzte der Motor offenbar aus reiner Unentschlossenheit aus und begann dann widerstrebend erneut zu tuckern. Eine Stunde lang schwenkte Qwilleran die Angelschnur auf und ab; das Dröhnen des Motors und das Gefühl der Isolation versetzten ihn in einen tranceartigen Zustand. Das Boot war in einer eigenen, engen kleinen Welt, umgeben von einem Nebel, der alles andere ausschloß. Es war vollkommen windstill, nicht einmal das Geräusch von Wellen, die an das Boot schlugen, war zu hören – nur das hohle Tuckern des Motors und der klagende Ton eines weit entfernten Nebelhorns.
Whatley hatte seine Schnur ausgeworfen und war, nach ein paar kräftigen Schlucken aus einem Flachmann, in seinem Leinenstuhl eingeschlafen. Seine Frau blickte gar nicht erst von ihrem Buch auf.
Qwilleran fragte sich, wo sie jetzt wohl waren – und was er überhaupt hier zu suchen hatte –, als der Motor plötzlich hustete und abstarb. Die beiden Jungen murmelten abgerissene Silben vor sich hin und sprangen in den Laderaum hinunter. Völlige Stille breitete sich aus, und das Boot lag reglos auf dem spiegelglatten See. Und dann hörte Qwilleran Stimmen, die über das Wasser drangen – Männerstimmen, die zu weit weg waren, als daß er sie hätte unterscheiden können. Er stützte die Angelrute auf der Reling auf und lauschte. Die Stimmen kamen näher, sie stritten, wurden lauter. Zornige Rufe ertönten, gefolgt von unverständlichen Schimpfkanonaden, danach ein scharfes Krachen, als ob Holz gespaltet würde ... ein Stöhnen ... Kampfgeräusche ... und dann ein dumpfer Schlag. Ein paar Sekunden später hörte Qwilleran ein lautes Klatschen und das Geräusch des Sprühregens, der leise auf das Wasser prasselte.
Danach war alles still, bis auf die leisen Wellen, die über die Wasseroberfläche liefen und gegen die Minnie K schlugen. Der Nebel hüllte sie ein wie Watte, und das Wasser wurde milchig-weiß.
Die Mannschaft stand über das Ding gebeugt, das als Motor fungierte. Whatley schlief weiter, und seine Frau war ebenfalls eingenickt. Verwundert begann Qwilleran die Angelrute wieder sinnlos in übertriebenen Bewegungen auf- und abzuschwenken, auf und ab. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren; die Uhr hatte er wegen seiner juckenden Handgelenke zu Hause gelassen.
Dreißig Minuten vergingen, eine Stunde, und dann zog plötzlich etwas an der Schnur; die Schwingungen setzten sich über die Angelrute bis in seine Arme fort. Er schrie.
Whatley fuhr erschreckt auf. »Einziehen! Einziehen!«
In diesem magischen Augenblick, in dem es ihn vor Aufregung bis an die Haarwurzel kribbelte, begriff Qwilleran die Faszination des Tiefseefischens. »Fühlt sich an wie ein Wal!«
»Nicht so schnell! Gleichmäßig einziehen! Nicht aufhören!« Whatley rang nach Luft und Qwilleran auch. Seine Hände zitterten. Die Kupferschnur schien kein Ende zu nehmen.
Alle schauten zu. Der junge Skipper lehnte sich über die Reling. »Gaff!« schrie er, und der andere Junge warf ihm einen Eisenhaken mit einem langen Griff zu.
»Der muß fünfzig Pfund wiegen!« rief Qwilleran und plagte sich mit den letzten paar Metern der Schnur ab. Er konnte spüren, wie das Monster hochschwappte, als er es das letzte Stück nach oben zog. »Ich hab' ihn! Ich hab' ihn!«
Die riesenhaften Umrisse hatten kaum die Oberfläche erreicht, als ihm die Angelrolle entglitt.
»Festhalten!« rief Whatley, doch die Rolle drehte sich wie verrückt. Als sie langsamer wurde, zog der Skipper eine Zange aus der Tasche und kappte die Schnur.
»Taugt nichts«, sagte er. »Taugt nichts.«
»Was soll das?« brüllte ihn Whatley an. »Dieser Fisch hat mindestens dreißig Pfund gewogen (schnauf), wenn nicht mehr!«
»Taugt nichts«, wiederholte der Skipper. Er schwang sich auf das Steuerhaus hinauf, der Jüngere ließ sich in den Laderaum hinunter, und der Motor lief wieder an.
»Das ist Betrug!« protestierte Whatley.
Seine Frau blickte von ihrem Buch auf und gähnte.
»Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht«, sagte Qwilleran zu den beiden, »aber ich würde sagen, machen wir Schluß.«
Das Boot beschleunigte und fuhr, wie Qwilleran hoffte, in Richtung Land. Die Rückfahrt verbrachte er zusammengesunken und in Gedanken vertieft auf dem
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