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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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forderte ihn mit einem Nicken auf weiterzusprechen.
Qwilleran senkte die Stimme. »Manchmal habe ich so ein seltsames Gefühl im Schnurrbart, und dann nehme ich Dinge wahr, die andere Leute nicht bemerken. Und das ist nicht alles. Im letzten Jahr ist mein Geruchssinn ungewöhnlich fein geworden – beängstigend fein. Und jetzt beginne ich erstaunlich gut zu hören. Vor ein paar Tagen ist nachts jemand in -zig Metern Entfernung am Strand spazierengegangen – auf dem weichen Sand – und ich konnte durch mein Kissen die Schritte hören: tap, tap, tap.«
»Wahrhaft phänomenal«, sagte sie.
»Glauben Sie, das ist abnormal? Ist es etwas Besorgniserregendes?«
»Es heißt, Elefanten können Mäuse laufen hören.«
»Ich hoffe, Sie wollen damit nicht andeuten, daß ich große Ohren habe.«
»Ihre Ohren sind sehr gut proportioniert«, sagte Melinda. »Ja, Sie sind wirklich ein ausgesprochen attraktiver Mann – für Ihr Alter.«
Im großen und ganzen machte das Zusammensein mit Melinda Goodwinter Spaß, obwohl Qwilleran fand, daß sie ein bißchen zu oft auf sein Alter anspielte – sie fragte ihn sogar, ob er Enkelkinder hätte. Dennoch fühlte er sich recht wohl, als er zur Hütte zurückfuhr; er dachte daran, vielleicht mit dem Buch anzufangen, oder sich etwas Bewegung zu verschaffen.
Der Nebel hatte sich beinahe aufgelöst. Ab und zu kam ein Windstoß und trieb ihn noch weiter hinauf auf den See. Die Wasseroberfläche war spiegelglatt und ruhig. Genau das richtige Wetter zum Paddeln, fand er.
Qwilleran hatte nicht mehr gepaddelt, seit er als Zwölfjähriger im Ferienlager gewesen war, doch er glaubte sich zu erinnern, wie es ging. Im Geräteschuppen fand er die Paddel und suchte sich das längste aus. Das Aluminiumboot über den sandigen Hang zum Ufer hinunterzuziehen war nicht schwer, doch es ins Wasser zu bekommen, das war eine andere Sache, bei der er nasse Füße bekam und unsicher in ein wackeliges, widerspenstiges Gefährt springen mußte. Als er sich schließlich ins Heck setzte und über das glatte, schimmernde Wasser glitt, verspürte er ein wunderbar erhebendes, friedliches Gefühl.
Er dachte an Tante Fannys Rat und wandte den hohen Bug, der ziemlich weit aus dem Wasser ragte, so, daß er der Uferlinie folgte. Im nächsten Augenblick wurde der Bug von einem Windstoß erfaßt, und das Boot wirbelte herum und fuhr auf das offene Wasser hinaus. Doch als der Wind nachließ, konnte er seinen Kurs rasch wieder korrigieren. Er paddelte an verlassenen Stränden und einsamen, mit hohen Kiefern bewachsenen Dünen vorbei. Ein Stück weiter kam die Dünensiedlung, eine Reihe von solide gebauten Ferienhäusern. Er stellte sich vor, daß ihn die Bewohner beobachteten und beneideten. Zwei Leute winkten ihm von ihren Veranden aus zu.
Wieder kam eine Brise vom Land her und kräuselte das Wasser. Der Bug schwenkte herum wie eine Wetterfahne, und das Boot schoß in Richtung Kanada davon, das etwa hundert Meilen entfernt war. Qwilleran setzte alle Kniffe und Fähigkeiten ein, an die er sich erinnern konnte, doch nichts nützte, bis der Wind wieder nachließ.
Jetzt war er weiter vom Ufer entfernt, als ratsam schien. Er versuchte zurückzupaddeln, doch er hatte sich aus dem Windschatten des Landes entfernt, und die Böen trieben ihn beständig weiter hinaus, sie drehten den Bug herum, und er hatte keine Kontrolle mehr über das Boot. Er ruderte wie wild, stieß das Paddel ohne Plan und Ziel ins Wasser und versuchte verzweifelt, das Boot zu wenden. Es trieb nur noch weiter hinaus und wirbelte dabei wie verrückt im Wasser herum, das immer rauher wurde. Er hatte vollkommen die Kontrolle über das Boot verloren. Sollte er ins Wasser springen und zurückschwimmen und das Boot im Stich lassen? Er war kein guter Schwimmer, und er dachte daran, was man über den eiskalten See sagte. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Mit jeder Sekunde entfernte er sich weiter vom Ufer. Er war nahe daran, in Panik auszubrechen.
»Rückwärts paddeln!« ertönte eine Stimme, die der Wind zu ihm trug. »Rückwärts paddeln ... rückwärts paddeln!«
Ja! Natürlich! Das war das Geheimnis. Er bewegte das Paddel in die andere Richtung, und obwohl der Bug noch immer nach Norden zeigte, bewegte sich das Boot allmählich auf das Ufer zu. Sobald er im Windschatten des Landes war, konnte er das Boot wenden und direkt auf das Ufer zufahren.
Ein Mann und eine Frau standen auf dem Sand und beobachteten ihn. Der Mann hielt ein Megaphon in der Hand. Sie feuerten ihn an,

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