Die Katze die Brahms spielte
ist ein
Buch, in dem genau steht, wo sie liegen und was sie geladen
hatten. Einige der Schiffe sind vor über hundert Jahren
untergegangen.«
»Aber ist denn die Fracht inzwischen nicht kaputt?« »Rosemary, 1850 haben sie nicht Autos oder Fernseher
transportiert. Sie haben Kupfer- und Goldbarren verschifft. In
den Ladelisten steht genau, was jedes Schiff an Bord hatte, als
es unterging – wie viele Fässer Whiskey, wie viele Dollar in
Banknoten und Gold. Diese Gegend hier hatte einmal eine
blühende Wirtschaft.«
»Warum hast du mit den Männern im Hotel gesprochen?« »Ich dachte, einer von ihnen wäre vielleicht der Anführer,
aber ihre Stimmen sind auf der Kassette nicht ähnlich. Überhaupt nicht. Aber der Anführer ist hier irgendwo.«
»Oh, Qwill! Du hast eine unglaubliche Phantasie.« Als sie bei der Hütte ankamen, schloß Qwilleran die Tür auf,
und Rosemary trat ein. Und dann hörte er sie aufschreien:
»Oh! Oh! Der Fußboden ist mit Tulpen übersät!«
»Diese Katzen!« brüllte Qwilleran – so laut, daß beide in das
Gästezimmer flohen.
»Sie haben alle schwarzen Tulpen herausgezogen, Qwill.« »Ich kann es ihnen nicht verdenken. Schwarze Tulpen sind
wider die Natur.«
»Aber du hast doch einmal gesagt, daß Katzen keine Farben
unterscheiden können.«
Er hob die Blumen auf, und Rosemary arrangierte die
Sträuße neu in den improvisierten Vasen auf dem Kaminsims,
der Theke und dem Eßtisch. Dann gingen sie auf die zum See
gelegene Veranda, um auf den Sonnenuntergang zu warten.
Sie streckten sich auf lackierten Liegestühlen aus, die alt
genug waren, um von der Titanic zu stammen.
Am Strand waren Unmengen Möwen, die durch die Luft
schwirrten, sich auf die toten Fische am Ufer stürzten und um
die Beute zankten. Rosemary sagte, es seien Silbermöwen. Die
Fliegenschnäpper, die in der Luft ein endloses Ballett vollführten, bezeichnete sie als Purpurschwalben. Etwas BraunGelbes, das ständig an der Veranda vorbeischoß, war ein
Seidenschwanz.
»Ich höre eine Eule«, sagte Qwilleran, um zu beweisen, daß
er im Hinblick auf die Tierwelt nicht völlig unwissend war.
»Das ist eine Trauertaube«, verbesserte sie ihn. »Und ich höre
einen Kardinal . . . und eine Lachmöwe . . . und einen Fichtenfink, glaube ich. Schließe die Augen und hör zu, Qwill. Es ist
wie eine Symphonie.«
Er strich sich schuldbewußt über den Schnurrbart. Vielleicht
hatte er den falschen Stimmen zugehört. Da war er auf dem
Lande, auf Urlaub, umgeben von den Freuden der Natur, und
er versuchte, Schurken zu identifizieren anstatt Seidenschwänze. Er sollte lieber das Vogelbuch lesen statt über
Kreuz geschriebene Briefe.
Rosemary unterbrach seine Gedanken. »Erzähl mir noch
mehr von Tante Fanny.«
»Nun ja, also«, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit
wieder der Gegenwart zu. »Erstens einmal . . . sie trägt auffällige Kleider und grellen Lippenstift, und sie hat eine Stimme
wie ein Ausbilder beim Militär. Sie ist mutig und herrisch und
platzt vor Energie und Ideen.«
»Sie muß sich hervorragend ernähren.«
»Sie hat einen Hausburschen, der sie überall herumkutschiert, Besorgungen macht, sich um den Garten kümmert, das
Haus putzt; und es gibt nichts, was er nicht reparieren kann.« Rosemary kicherte. »Der gäbe einen wunderbaren Ehemann
ab. Wie alt ist er denn?«
»Aber ich habe den Verdacht, daß er ein kleiner Dieb ist.« »Ich wußte, es gibt einen Haken«, sagte Rosemary. »Wie
reagiert denn Koko auf ihn?«
»Er ist sehr angetan von ihm. Tom hat eine sanfte Stimme,
wie sie die Katzen mögen.«
Koko hatte seinen Namen gehört und schlenderte lässig auf
die Veranda.
»Hast du Koko an der Leine spazierengeführt?«
»Nein, aber ich habe schon ein Erkundungsmanöver in
Betracht gezogen. Er verbringt sehr viel Zeit am
Gästezimmerfenster und starrt hinaus, und ich würde gerne
wissen, was ihn da so sehr interessiert.«
»Kaninchen und Eichhörnchen«, meinte Rosemary. »Da ist noch irgend etwas anderes.» Qwilleran strich sich
über den Schnurrbart. »Ich habe so ein Gefühl . . .«
»Gehen wir mit ihm hinaus.«
»Jetzt?«
»Ja. Komm!«
Koko war schon einige Male in seinem blauen Laufgeschirr auf einen Spaziergang geführt worden. Eine sechs Meter lange Nylonschnur, die ein Photograph des Fluxion gestiftet hatte, diente als Leine und gab ihm große Bewegungsfreiheit. Kokos Nase, mit der er alles erforschte, und sein katzenhaftes Wahrnehmungsvermögen hatten schon oft zu Entdeckungen
geführt, die den menschlichen
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