Die Katze die Brahms spielte
Sinnen entgangen waren. Der Anblick des Laufgeschirrs rief eine lautstarke Reaktion
hervor, und als er festgeschnallt wurde, gab Koko eine ganze
Skala siamesischer Laute von sich, die Aufregung
ausdrückten. Yum Yum glaubte, er würde gefoltert, und
protestierte aus Leibeskräften.
Zum ersten Mal seit seiner Ankunft verließ Koko die Hütte.
Vor der Veranda entdeckte er das Seil, das von der Messingglocke hing, streckte sich, bis er es mit einer Kralle zu fassen
bekam, und läutete ein-, zweimal die Glocke. Dann wandte er
sich ohne zu zögern nach Osten – vorbei an der Veranda und
an der Hütte selbst, und auf den Wald zu. Als er den dichten
Belag aus Kiefernnadeln, Eicheln und vertrockneten Eichenblättern betrat, raschelte und knisterte es bei jedem Schritt –
eine völlig neue Erfahrung für eine Stadtkatze. Eichhörnchen
und Kaninchen brachten sich in Sicherheit. Ein verzweifeltes
Rotkehlchenweibchen versuchte ihn von ihrem Nest abzulenken. Doch Koko marschierte entschlossen auf den Wald am
Gipfel der Düne zu. Hinter einer Gruppe von wilden Kirschbäumen stand der Werkzeugschuppen.
»Was sagt du dazu?« flüsterte Qwilleran Rosemary zu. »Er
ist schnurstracks auf den Werkzeugschuppen zugegangen.« Er öffnete die Tür, und Koko hüpfte über die Türschwelle
Ein Paddel schnüffelte er einmal und die Mülltonne zweimal
kurz ab. »Schnell, Rosemary, lauf zurück und hole die
Taschenlampe. Sie hängt an der Hintertür.«
In der Dunkelheit, die im Inneren des Schuppens herrschte,
warf Koko einen Blick auf die Farbtiegel und ging dann
geradewegs auf Toms Pritsche zu. Er sprang auf die abgenutzte Decke und begann eifrig mit der Pfote zu scharren. Dabei gab er ununterbrochen gutturale Laute von sich und peitschte heftig mit dem Schwanz. Er scharrte an dem traurigen Etwas, das als Kissen diente, an der Wand mit den verblichenen Bildern von Las Vegas, und dann wieder an der
Decke.
»Wonach suchst du, Koko?« Qwilleran zog die Decke
beiseite, und Koko begann auf der dünnen Matratze zu scharren.
Rosemary beleuchtete die trostlose Szene mit der Taschenlampe. »Er ist sehr entschlossen.«
»Vielleicht ist in der Matratze ein Mäusenest.«
»Ziehen wir das schmutzige Ding doch auf den Fußboden
herunter.«
Die Matratze rutschte von den ausgeleierten Federn der Pritsche und mit ihr ein braunes Kuvert. Rosemary ging mit dem
Licht näher heran. Das Kuvert war an Francesca
Klingenschoen adressiert; der Poststempel trug ein zwei Jahre
altes Datum. Der Absender war eine Immobilienfirma in
Florida.
»Schau hinein, Qwill. Was ist drinnen?«
»Geld! Zum großen Teil Fünfziger.«
»Komm, laß mich zählen. Ich bin an Geldzählen gewöhnt.«
Sie blätterte die Banknoten mit professioneller
Geschwindigkeit durch. Insgesamt waren es fast zwölfhundert
Dollar. »Was sollen wir damit tun?«
»Es gehört Fannys Hausburschen«, sagte Qwilleran. »Wir
legen es zurück, machen das Bett wieder und sehen zu, daß
wir von hier verschwinden, bevor die Moskitos ihre
Reserveeinheiten in die Schlacht werfen.«
Spätnachts lag er wach und dachte über Toms Versteck im
Werkzeugschuppen nach. Sparte der arme Kerl auf eine
Anzahlung für einen Nachtklub in Las Vegas? Woher bekam
er das Geld? Jedenfalls nicht von Tante Fanny. Wie es schien,
rückte sie immer nur ein paar Dollar auf einmal heraus. Qwilleran hörte schwere Schritte auf dem Dach. Er hoffte,
daß Roger recht hatte. Er hoffte, daß es ein Waschbär war.
Am Dienstagmorgen fuhr Qwilleran vor dem Frühstück in die Stadt, um Eier zu kaufen. Rosemary behauptete, nichts sei besser verdaulich als ein weichgekochtes Ei. Qwilleran konnte sich nicht erinnern, ein weichgekochtes Ei gegessen zu haben, seit er in der zweiten Klasse mit Mumps zu Hause gelegen hatte. Trotzdem kaufte er ein Dutzend Eier. Als er zurückkam, erwartete ihn Rosemary an der Tür. Sie machte ein strenges
Gesicht.
»Koko war unartig«, sagte sie.
»Unartig?« Noch nie hatte jemand Koko unartig genannt.
Pervers vielleicht, oder arrogant, oder despotisch. Aber Unartigkeit war unter seiner Würde. »Was hat er denn getan?« »Er hat wieder alle schwarzen Tulpen herausgezogen. Ich
habe ihn dabei erwischt. Ich habe ihn ordentlich
ausgeschimpft und dann ins Badezimmer gesperrt. Yum Yum
sitzt schon die ganze Zeit davor und jammert, aber Koko ist
sehr still da drinnen. Ich bin sicher, er sieht ein, daß er das
nicht hätte tun dürfen.«
Qwilleran öffnete langsam die Tür. Im Bad sah es aus, wie
nach einem Blizzard. Eine Rolle
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