Die Katze im Taubenschlag
was konnte er schreiben? Nur Joan sollte den Inhalt seines Briefes verstehen, niemand sonst, dem das Schreiben in die Hände fiel, durfte wissen, um was es sich handelte… Leider war das ganz unmöglich. In den Kriminalromanen, die Bob in seiner Freizeit las, hinterließ man einfach Botschaften in einer Geheimschrift, die dann später erfolgreich entziffert wurde. Aber er hatte keine Ahnung, wie man so eine Geheimschrift erfand, außerdem besaß Joan zuwenig Fantasie, um eine Nachricht zu verstehen, die nicht klar und deutlich, versehen mit den nötigen Kommas und i-Punkten, auf dem Papier stand.
Plötzlich kam ihm die Erleuchtung. Er musste die Sache ganz anders anfangen. Um die Aufmerksamkeit von Joan abzulenken, musste er ihr einen völlig harmlosen Brief hinterlassen. Die eigentliche Botschaft würde er einer anderen Person geben, die sie Joan erst in England überbringen sollte. Er begann schnell zu schreiben:
Liebe Joan,
ich bin nur kurz vorbeigekommen, um dich zu fragen, ob du he u te Abend eine Runde Golf mit mir spielen willst. Nehme alle r dings an, dass du nach dem Ausflug zum Damm viel zu müde sein wirst. Wie wär’s mit morgen? I ch treffe dich um fünf im Club.
Herzlichst dein Bob.
Eine völlig belanglose Nachricht für die Schwester, die er vielleicht nie wiedersehen würde – aber je belangloser, desto besser! Joan durfte auf gar keinen Fall in diese gefährliche Sache verwickelt werden, sie durfte nicht einmal ahnen, dass er selbst darin verwickelt war.
Joan konnte nicht heucheln, deshalb war sie nur dann sicher, wenn sie nichts wusste.
Der Brief erfüllte außerdem einen doppelten Zweck; denn es ging daraus hervor, dass Bob keine Reisepläne hatte.
Er blieb noch eine Minute nachdenklich sitzen, dann stand er auf, ging zum Telefon und verlangte die Nummer der englischen Botschaft. Gleich darauf wurde er mit seinem Freund Edmundson, dem dritten Sekretär, verbunden.
»John? Hier spricht Bob Rawlinson. Kannst du dich nach Büroschluss mit mir treffen?… Geht es nicht etwas früher?… Bitte, tu mir den Gefallen, es ist sehr wichtig, es handelt sich nämlich um ein Mädchen…« Er räusperte sich verlegen. »Sie ist fabelhaft – das hat die Welt noch nicht gesehen! Aber leider ziemlich schwierig…«
»Was du immer für Mädchengeschichten hast, Bob«, erwiderte Edmundson steif und leicht vorwurfsvoll. »Also, wenns sein muss… passt es dir um zwei?«
Edmundson legte den Hörer auf, und gleich darauf hörte Bob noch ein leises Knacken in der Leitung…
Gut – Edmundson hatte ihn sofort verstanden. Er und Bob benutzten oft einen Geheimcode, da in Ramat sämtliche Telefongespräche abgehört wurden. »Ein fabelhaftes Mädchen – das hat die Welt noch nicht gesehen«, bedeutete, dass es sich um etwas sehr Dringendes handelte. Er würde Edmundson um zwei Uhr vor der Bank treffen und in sein Auto steigen. Dort würde er ihm von dem Versteck erzählen und ihm sagen, dass Joan nichts davon wisse. Er würde Edmundson auch zu verstehen geben, dass seine Aufgabe von ausschlaggebender Bedeutung sein würde, falls ihm, Bob, etwas zustoßen sollte. Da Joan und Jennifer auf einem Frachtschiff zurückfuhren, würden sie erst in sechs Wochen in England sein. Bis dahin hätte die Revolution höchstwahrscheinlich stattgefunden. Entweder würde sie erfolgreich sein oder niedergeschlagen werden. Ali Yusuf würde in Europa sein… Er musste Edmundson das unbedingt Notwendige mitteilen, aber nicht mehr.
Bob blickte sich zum letzten Mal im Zimmer um. Es sah unverändert unordentlich, friedlich und wohnlich aus. Nur sein harmloser Brief an Joan lag auf dem Schreibtisch.
Er ging aus dem Zimmer. Im Korridor begegnete ihm niemand.
Die Frau, die im Zimmer neben Joan Sutcliffe wohnte, verließ ihren Balkon. Sie hielt einen Spiegel in der Hand.
Sie war ursprünglich auf den Balkon gegangen, um ein einzelnes Haar besser sehen zu können, das auf ihrem Kinn wuchs. Sie zog es mit einer Pinzette heraus, dann studierte sie ihr Gesicht eingehend im hellen Sonnenlicht. In diesem Augenblick sah sie etwas im Nebenzimmer. Sie hielt ihren Spiegel in einem bestimmten Winkel, sodass sich der Spiegel des Kleiderschrankes im benachbarten Zimmer darin reflektierte. Und in diesem Spiegel beobachtete sie einen Mann, der etwas sehr Merkwürdiges tat.
Es war so merkwürdig und unerwartet, dass sie regungslos stehenblieb und ihn nicht mehr aus den Augen ließ. Er saß, mit dem Rücken zum Spiegel, am Tisch und
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