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Die Katze im Taubenschlag

Die Katze im Taubenschlag

Titel: Die Katze im Taubenschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zuversichtlich.
    »Davon bin ich überzeugt. Bisher hat es in Meadowbank doch noch nie einen Skandal gegeben, nicht wahr?«
    »Ein- oder zweimal aber beinahe«, erwiderte Miss Bulstrode lachend. »In einer Schule ist immer für Abwechslung gesorgt. Hast du dich hier jemals gelangweilt, Eleanor?«
    »Bestimmt nicht. Ich finde meine Arbeit äußerst anregend und befriedigend«, erklärte Miss Vansittart. »Du darfst auf deinen Erfolg stolz sein, Honoria.«
    »Ja, es ist mir gelungen, Meadowbank zu einer wirklich guten Schule zu machen, obwohl man niemals ganz das erreicht, was man sich erträumt hat«, erwiderte Miss Bulstrode nachdenklich. Dann fragte sie plötzlich: »Was würdest du tun, wenn du Leiterin dieser Schule wärest, Eleanor? Würdest du viele Veränderungen vornehmen? Bitte, beantworte mir diese Frage ganz offen. Es interessiert mich sehr, deine Ansichten zu erfahren.«
    »Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas ändern würde«, erwiderte Eleanor Vansittart. »Ich finde die Atmosphäre und die ganze Organisation der Schule großartig.«
    Miss Bulstrode schwieg einen Augenblick. Ob sie das nur gesagt hat, um mir nach dem Munde zu reden?, fragte sie sich. Was weiß man voneinander? Was weiß man selbst von Menschen, denen man jahrelang nahe gestanden hat? Das kann nicht ihr Ernst sein, denn jeder kreative Mensch sehnt sich danach, seine eigenen Ideen in die Tat umzusetzen. Wahrscheinlich hat sie das nur aus Taktgefühl gesagt… und Takt ist ungeheuer wichtig. Den Eltern, den Schülerinnen, den Kolleginnen gegenüber muss man Takt beweisen. Eleanor war zweifellos sehr taktvoll.
    »Gewisse Veränderungen sind unvermeidlich«, sagte sie schließlich. »Die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Lebensbedingungen ganz allgemein.«
    »Das muss man natürlich in Betracht ziehen«, entgegnete Miss Vansittart. »Man muss mit der Zeit gehen. Aber es ist und bleibt deine Schule, Honoria. Deine Ideen und Traditionen müssen unbedingt weiterbestehen. Ich denke, Tradition ist wichtig. Du nicht auch?«
    Miss Bulstrode antwortete nicht. Jetzt durfte sie auf keinen Fall etwas Voreiliges sagen. Das Angebot einer Partnerschaft lag in der Luft. Die wohl erzogene Miss Vansittart tat, als sei sie sich dieser Tatsache nicht bewusst, obwohl sie ihr nicht unbekannt sein konnte. Miss Bulstrode dagegen wusste nicht, was sie davon abhielt, sich festzulegen. Wahrscheinlich war ihr der Gedanke, das Zepter aus der Hand zu geben, eben unerträglich. Und doch – wer wäre geeigneter, ihre Nachfolgerin zu werden, als die treue, zuverlässige Eleanor? Natürlich war auch die brave Chaddy die Zuverlässigkeit in Person, aber als Leiterin einer großen Schule konnte man sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Was will ich wirklich?, fragte sich Miss Bulstrode. Warum bin ich, zum ersten Mal in meinem Leben, nicht fähig, einen Entschluss zu fassen?
    In der Ferne läutete eine Glocke.
    »Meine Deutschstunde, ich muss gehen«, sagte Miss Vansittart.
    Sie näherte sich dem Schulgebäude mit raschen, aber gemessenen Schritten. Miss Bulstrode, die ihr etwas langsamer folgte, stieß fast mit Eileen Rich zusammen, die aus der entgegengesetzten Richtung auf sie zueilte.
    »Entschuldigen Sie bitte, Miss Bulstrode. Ich habe Sie nicht gesehen.« Wie immer hingen unordentliche Haarsträhnen aus ihrem Knoten, der sich jeden Augenblick aufzulösen drohte. Miss Bulstrode bemerkte wieder einmal, dass ihr Gesicht zwar hässlich, aber intelligent, lebendig und interessant war.
    »Haben Sie eine Stunde zu geben?«, fragte Miss Bulstrode nachdenklich.
    »Ja, Englisch.«
    »Das Unterrichten macht Ihnen Freude, nicht wahr?«
    »Sehr. Ich kann mir nichts Faszinierenderes vorstellen als den Beruf einer Lehrerin.«
    »Warum?«
    Eileen Rich runzelte die Stirn und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Ist das nicht merkwürdig? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Warum ist man gern Lehrerin? Weil es einem ein Gefühl der Wichtigkeit gibt? Nein, nein… ganz so schlimm ist es denn doch nicht. Vielleicht könnte man es mit dem Angeln vergleichen. Man weiß nie im Voraus, was für einen Fang man machen, was man dem Meer entlocken wird. Nichts ist aufregender, als auf einen Funken Talent zu stoßen und ihn anzufachen. Allerdings gelingt das nicht allzu oft.«
    Miss Bulstrode nickte zustimmend. Sie hatte sich nicht geirrt. Miss Rich besaß Originalität und konnte logisch denken.
    »Ich nehme an, dass Sie eines Tages selbst eine Schule leiten werden«, bemerkte

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