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Die Katze im Taubenschlag

Die Katze im Taubenschlag

Titel: Die Katze im Taubenschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Springer nicht. ›Schneller, schneller! Nicht nachlassen!‹, sagt sie immer. Und ich werde so leicht müde.«
    »Das genügt, Shanda«, sagte Miss Bulstrode streng. »Ihre Familie hat Sie nach Meadowbank geschickt, damit Sie die englische Lebensweise kennen lernen. Die Freiübungen und der Sport können Ihnen nur gut tun. Sie werden einen besseren Teint bekommen, und Ihr Busen wird sich entwickeln.«
    Nachdem sie Shanda entlassen hatte, wandte sie sich lächelnd an die noch immer erregte Miss Johnson.
    »In gewisser Weise hat sie natürlich Recht. Sie ist voll entwickelt, und man könnte sie leicht für eine Zwanzigjährige halten… und so fühlt sie sich eben auch. Man kann Shanda wirklich nicht mit einem jungen Mädchen wie Julia Upjohn vergleichen; obwohl Julia ihr geistig weit überlegen ist, ist sie körperlich eben noch ein Kind.«
    »Ich wünschte, sie wären alle wie Julia Upjohn«, erklärte Miss Johnson.
    »Ich nicht. Es wäre langweilig, nur Mädchen dieser Art in der Schule zu haben«, erwiderte Miss Bulstrode.
    Langweilig, dachte sie, als sie zu den Aufsatzkorrekturen zurückkehrte. Dieses Wort tauchte in letzter Zeit immer wieder auf: langweilig…
    Aber ihre Schule war alles andere als langweilig, ihr Leben war immer anregend und fesselnd gewesen – selbst jetzt, wo ihr Entschluss feststand, wollte sie eigentlich nicht gehen.
    Ihr Gesundheitszustand war ausgezeichnet, fast so gut wie damals, als sie, mithilfe der getreuen Chaddy, eines Bankiers, dessen Vertrauen sie glänzend gerechtfertigt hatte, und einer Hand voll Kinder die Schule gegründet hatte. Obwohl Chaddys Examensnoten besser waren als ihre eigenen, war sie die treibende Kraft gewesen. Sie hatte die Schule mit Fantasie und weiser Voraussicht zu einem Internat gemacht, das mittlerweile nicht nur in England, sondern in ganz Europa bekannt und berühmt war. Sie war immer bereit gewesen, Experimente zu machen, während Chaddy sich an die althergebrachten Erziehungsmethoden hielt. Vor allem aber war Chaddy immer dann zur Stelle gewesen, wenn sie wirklich gebraucht wurde, wie zum Beispiel neulich, als sie die betrunkene Lady Veronica rechtzeitig in Sicherheit brachte. Chaddys Treue und Gleichmut waren die Grundfesten von Meadowbank.
    Die Schule war auch finanziell ein Erfolg. Wenn Miss Bulstrode und Chaddy sich jetzt von der aktiven Arbeit zurückzögen, würden sie den Rest ihres Lebens sorgenfrei verbringen können. Miss Bulstrode fragte sich, ob Chaddy wohl den Wunsch hatte, sich ebenfalls ins Privatleben zurückzuziehen – wahrscheinlich nicht. Die Schule war ihr Zuhause, und sie würde auch Miss Bulstrodes Nachfolgerin treu und zuverlässig zur Seite stehen.
    Miss Bulstrode war fest entschlossen, eine Nachfolgerin zu finden, mit der sie die Schule zunächst gemeinsam leiten könnte. Sobald sich die andere eingearbeitet hätte, würde sie sich zur Ruhe setzen. Es war wichtig im Leben, den richtigen Zeitpunkt zum Abtreten zu erkennen. Man musste gehen, bevor die Kräfte erlahmten.
    Nachdem Miss Bulstrode alle Aufsätze durchgesehen hatte, stellte sie fest, dass die kleine Upjohn begabt und originell war. Jennifer Sutcliffe war völlig fantasielos, zeigte aber gesunden Menschenverstand. Mary Vyse, die Klassenerste, besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis – aber was für ein langweiliges Mädchen! Langweilig – da war das Wort schon wieder. Vergessen wir’s, dachte Miss Bulstrode und klingelte ihrer Sekretärin. Sie begann Briefe zu diktieren:
     
    »Sehr geehrte Lady Valence,
    Jane hatte eine leichte Ohrenentzündung. Ich lege den ausführl i chen Bericht des Arztes bei…«
     
    usw.
     
    »Sehr geehrter Baron von Eisinger,
    selbstverständlich werden wir Hedwig gestatten, in die Oper zu gehen, um die Hellstern als Isolde zu hören…«
     
    usw.
     
    Eine Stunde verging im Handumdrehen. Miss Bulstrode machte kaum eine Pause. Ann Shaplands Bleistift flog nur so über den Stenogrammblock.
    Eine ausgezeichnete Sekretärin, dachte Miss Bulstrode, besser als ihre Vorgängerin, Vera Lorrimer, die ihren Posten von einem Tag auf den anderen aufgegeben hatte. Angeblich wegen eines Nervenzusammenbruchs, aber in Wirklichkeit handelte es sich natürlich um einen Mann…
    »So, das wär’s«, sagte Miss Bulstrode, nachdem sie den letzten Satz diktiert hatte. Sie atmete erleichtert auf. »Nichts ist langweiliger, als an Eltern zu schreiben.« Sie warf Ann einen wohlwollenden Blick zu. »Warum sind Sie eigentlich Sekretärin geworden?«
    »Schwer zu

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