Die Katze namens Eisbär
ohne mich dabei jedoch auf ihr Niveau herabzulassen und die Mann-Frau-Polarität zu bemühen. Mit einem Wort, ich beschloß, sämtliche Briefe, die ich auf Lager hatte, durchzusehen, um Beispiele dafür zu finden, daß Männer genauso fähig waren, ihren Katzen gerecht zu werden, wie jeder verdammte »matriarchale« Navajo, den sie auftreiben konnte.
Ich muß ehrlich sagen, es kostete mich einiges an Zeit; ich fand nämlich nur zwei oder drei Briefe, die meinen Standpunkt stützten, und um die hundert oder mehr, in denen man ihr die Stange hielt. Aber ich fand es überflüssig, eine regelrechte Abstimmung zu veranstalten. Wenn ich recht habe, habe ich recht, und basta.
Der Brief, für den ich mich schließlich entschied, weil er mir am besten zu beweisen schien, daß Männer bessere Katzenhalter sind, lautete folgendermaßen:
»Am 14. Februar 1975 brachte mir mein Mann, mit dem ich damals gerade sieben Monate verheiratet war, am Valentinstag ein Geschenk mit, das er in seiner Jackentasche trug. Es war ein winziges weißes Kätzchen mit großen grünen Augen und den größten Ohren, die ich je gesehen hatte. Er hatte es aus dem Tierheim, und da Rob nie ein Haustier besessen hatte, argwöhnte ich von Anfang an, daß dieses Geschenk mehr für ihn als für mich gedacht war.
Ich kann leider nicht behaupten, daß es Liebe auf den ersten Blick war. Ich hatte für Katzen nichts mehr übrig, seitdem ich in der Kindheit einmal mitangesehen hatte, wie eine Katze ein Streifenhörnchen gefressen hatte. In unserer Mietwohnung waren Katzen nicht erlaubt, wir mußten also damit rechnen, gekündigt zu werden, wenn der Hauswirt unsere Katze je zu Gesicht bekommen sollte. Ich saß außerdem gerade über meiner Magisterarbeit, und die kleine Katze hatte die lästige Angewohnheit, an meinem Bein wie an einem Baum hochzuklettern, um so auf meinen Schoß zu gelangen. Wenn sie das geschafft hatte, schlug sie, sobald ich zu schreiben begann, nach meinem Kugelschreiber, brachte mir alle meine Karteikarten durcheinander und richtete auf meinem Schreibtisch ganz allgemein das reinste Chaos an. Außerdem ließ sie uns keine Nacht schlafen; aber sie weinte nicht etwa nach ihrer Mutter – das hätte ich noch verstanden –, nein, sie versuchte ständig, uns zum Spielen zu animieren. Dabei hatte ich immer gehört, daß Katzen die meiste Zeit schlafen. Ich beschwerte mich bei meinem Mann. Wir könnten uns ja ein Haustier anschaffen, sagte ich, wenn ich mit dem Studium fertig sei und wir ein eigenes Haus hätten, dann aber am besten einen Hund. Die Katze sei so niedlich, daß sie uns sicher sofort jemand abnehmen würde. Rob ist an sich immer zu Kompromissen bereit und bemüht sich meistens, auf meine Wünsche einzugehen, aber diesmal war nichts zu machen; er weigerte sich, das Kätzchen wegzugeben. Ich schrieb diese Entscheidung seiner durch Schlaflosigkeit zerrütteten Vernunft zu und nahm an, früher oder später werde er zur Einsicht kommen.
Aber am Ende flogen wir doch wegen der Katze aus der Wohnung, und ich machte meine Magisterarbeit in der Unibibliothek fertig. Abbey hatte sich längst einen festen Platz als vollwertiges Familienmitglied erobert und entwickelte sich langsam so weit, daß sie zu ihren Augen und Ohren paßte – ich würde sogar zu behaupten wagen, daß sie es an Größe mit Eisbär aufnehmen konnte. Sie wurde zehn Jahre alt, und ich kann mir nicht vorstellen, was unser Leben ohne sie gewesen wäre. Wir haben jetzt wieder eine Katze und außerdem ein Kind, dem unser würdevoller und nicht unbedingt toleranter Kater Achtung vor Tieren und Verantwortungsbewußtsein beigebracht hat.«
Nachdem ich mit Hilfe dieses Briefes die hochnäsige Soziologin in die Schranken gewiesen hatte, ging ich daran, das gleiche mit Eisbär zu tun. Gleich das nächste Mal, als wir gemeinsam die Post öffneten, hielt ich ihm alle Briefe über solche Katzen unter die Nase, die regelmäßig all die Dinge taten, die ihm beizubringen ich vergeblich versucht hatte. Den Briefen nach gab es Katzen genug, die mit ihren Herren oder Herrinnen brav im Geschirr und an der Leine spazierengingen; mir hingegen war es nie gelungen, aus Eisbär einen gesitteten Spaziergänger zu machen. Ich erklärte ihm, wenn ich das nächste Mal zum Schachspielen in den Park ginge, würde er an der Leine mitmarschieren, ob ihm das nun paßte oder nicht. Er antwortete mir mit einem Blick, den wohl alle »Katzen-Besessenen« kennen – viel Glück, sagte dieser Blick, du wirst
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