Die Katze namens Eisbär
Anweisung belehrte mich eines Besseren:
»Lassen Sie Ihre Katze nicht allein, solange das Video läuft. Wenn die Katze gegen den Bildschirm springen sollte, könnte sie sich selbst und dem Apparat Schaden zufügen. Ihre Katze muß lernen, beim Fernsehen passiv zu bleiben. Mit ein bißchen Übung kann Ihre Katze zu einem harmlosen Sofahocker werden.«
Das war für Eisbär genau das richtige – nur schnarchte er diesmal schon, ehe ich die Anweisungen überhaupt fertiggelesen hatte. Am Ende gab ich die Bemühungen mit den Katzenvideos auf und stellte bei der Lektüre der nächsten Briefe mit Erleichterung fest, daß es Unmengen Katzen gab, die keine »Sofahocker« waren, sondern äußerst aktiv und unternehmungslustig. Es gab sogar eine Katze, die Klavier spielen konnte, und wenn ihre Herrin etwas spielte, was sie nicht mochte, sprang sie einfach aufs Klavier und setzte sich ihr auf die Hände, so daß sie zu spielen aufhören mußte.
Aber das war nicht die einzige Katze, die die Dinge selbst in die Hand nahm. Am sympathischsten unter all diesen aktiven Katzen war mir ein Kater namens Bogart, der, wie mir seine Besitzerin schrieb, sie und ihren Mann teuer dafür bezahlen ließ, als sie eine streunende Katze bei sich aufnahmen. Er veranstaltete einen solchen Wirbel, »daß wir die beiden Katzen schließlich getrennt halten mußten«, berichtete die Frau. »Mein Mann und ich mußten in getrennten Zimmern schlafen, damit jede Katze eine Bezugsperson hatte, bei der sie unterkriechen konnte.«
Das waren doch Geschichten, die einem Junggesellen wie mir etwas sagten! Während ich Eisbär betrachtete, der zu anderen Katzen so abscheulich sein konnte, fragte ich mich, ob ihm eigentlich klar war, zu welch bitterem Ende sein Egoismus führen konnte. Gerade als ich versuchte, mit ihm darüber zu sprechen, was nicht ganz einfach war, da sein Blick starr auf den Balkon gerichtet war, sprang er plötzlich auf, schoß durchs Schlafzimmer, flog durch das Fenster hinaus auf seinen Balkon und knallte mit aller Wucht gegen das Drahtgitter, um sich auf ein Taubenpärchen zu stürzen, das gerade mitten im Turteln war.
Er war, sagte ich mir, eben unverbesserlich; nichts war ihm heilig, nicht einmal wahre Liebe. Da konnten höchstens noch ein paar Briefe aus der Rubrik »Katzenschläue« helfen. Wenn es überhaupt etwas gab, worauf Eisbär stolz war, so war es seine Schläue, und ich dachte mir, es würde ihm guttun, zu erfahren, daß es auf der Welt Katzen gab, die ihn an Schläue weit überboten.
Am bemerkenswertesten fand ich zu diesem Thema den Brief einer Witwe aus Kalifornien, die einen Kater namens José besaß. Im Herbst, berichtete sie, habe sie eines Tages versucht, das welke Laub von ihren Obstbäumen herunterzuholen, um es dann zusammenzurechen. Leider war sie zu den obersten Wipfeln der Bäume nicht hinaufgekommen. »Nun ja«, sagte sie laut zu sich selbst, »dann muß ich eben warten, bis das Laub von selbst herunterfällt.« Da sauste José, der ihr bei der Arbeit zugesehen hatte, wie der Blitz in den Wipfel eines der Bäume hinauf und begann, die Hinterbeine in den Stamm gekrallt, mit den Vorderpfoten einen Zweig nach dem anderen zu schütteln, bis alles Laub zur Erde gefallen war. Danach nahm er sich den nächsten Baum vor, und so ging es weiter, bis sämtliche Bäume kahl waren. »Versteht dieser Kater die englische Sprache?« erkundigte sich die Briefschreiberin. »Ist er vielleicht die Reinkarnation eines Menschen, den ich einmal gekannt habe? Können Sie sich vorstellen, daß ich mich sogar so weit herabließ, ihn zu fragen, wer er sei? Aber da rieb er nur seinen Kopf an meinem Bein und gab mir keine Antwort.«
Nach dem Rest des Briefes zu urteilen, hatte José vielleicht guten Grund, nicht zu antworten.
»Wenn er mich zum Frühstück wecken möchte, necke ich ihn immer erst ein wenig und tue so, als hörte ich sein Miauen nicht. Er versucht es dann jedesmal mit einer anderen Taktik. Aber eines Tages, nachdem er mich vergeblich unter der Decke gestupst und schmeichelnd seinen Kopf an meinem Gesicht gerieben hatte, hörte er plötzlich auf, wie ein Wilder herumzusausen. Statt dessen drückte er mir seine Schnauze ans Ohr, holte einmal tief Atem und kreischte dann wie am Spieß. Woher wußte er, daß dort mein Gehör sitzt? Abends, wenn er ins Haus will, springt er gegen das Fliegengitter – ich lasse die ganze Nacht ein großes Fenster offen – und miaut. Einmal fand ich, er könne ruhig noch ein bißchen
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