Die Katze namens Eisbär
nach seiner Fan-Post beurteilen. In dem anderen Brief stand, ich sei hervorragend gewesen. Böse Zungen behaupteten natürlich, er sei von meiner Schwester gewesen, aber das war nur der Neid. Er war nicht von meiner Schwester – er war von meiner Schwägerin.
Ich wartete geduldig darauf, daß William Morris und ICM und all die anderen renommierten Agenturen mit neuen Angeboten bei mir anrufen würden, aber es rührte sich nichts. Es gab nicht einmal jemanden, der vorgeschlagen hätte, ich solle doch in dem Film über Eisbär mich selbst spielen. Ich konnte mir das nur damit erklären, daß sie alle fürchteten, ich würde nun zuviel kosten. Resigniert begann ich zu überlegen, wer denn sonst die Rolle übernehmen könnte, und entschied mich nach langem Grübeln für George C. Scott. George C. Scott war zwar nicht ich, aber wer war das schon? Und er hatte zweifellos Möglichkeiten.
Als ich das nächste Mal in Hollywood war, machte ich daher George einen Besuch. Wenn wir zusammenkommen, spielen wir gern eine Partie Schach. Das war diesmal nicht anders. Mitten in der Partie packte ich den Stier bei den Hörnern – ein Ausdruck, den ich eigentlich gar nicht mag – und fragte ihn, ob er, falls man Die Katze, die zur Weihnacht kam verfilmen würde, bereit wäre, mich darzustellen. Ich stellte die Frage übrigens ganz bewußt, bevor ich am Zug war.
George dachte einen Augenblick nach und sah mich an. »Du kannst ihnen sagen«, meinte er, »daß ich interessiert bin.«
Wir spielten weiter. Kurz vor dem Ende der Partie – als George der Sieg sicher war – sah er mich wieder an. »Sag nicht, ich wäre interessiert«, sagte er. »Das heißt überhaupt nichts. Sag ihnen, ich bin sehr interessiert.«
Froh und dankbar, wollte ich mich natürlich erkenntlich zeigen. Als wir später gemeinsam essen gingen – George, seine Frau Trish, eine Bekannte und ich –, beschloß ich, die ganze Gesellschaft einzuladen. Wir waren im Ginger Man , und während die anderen sich unterhielten, winkte ich die Kellnerin heran und sagte ihr, sie solle mir die Rechnung bringen.
»Tut mir leid, Sir«, entgegnete sie. »Mr. Scott hat mir schon aufgetragen, ihm die Rechnung zu bringen.«
Hm, da war anscheinend nichts mehr zu machen. Aber ein paar Minuten später ergab sich noch einmal Gelegenheit, mit der Kellnerin zu sprechen. »Hören Sie«, sagte ich, »ich bin mit Ihrem Chef befreundet, und er möchte, daß Sie die Rechnung mir bringen.«
»Tut mir leid, Sir«, sagte sie wieder, »davon hat Mr. O’Connor mir nichts gesagt. Sie kenne ich nicht; Mr. Scott dagegen ist Stammgast bei uns.«
Aber vor dem Nachtisch bot sich noch eine letzte Chance. Diesmal setzte ich Verschwörermiene auf, als ich mit ihr sprach. Ich wolle die Rechnung deshalb haben, erklärte ich flüsternd, weil heute Mr. Scotts Geburtstag sei.
»Ach so«, flüsterte sie gleichermaßen verschwörerisch zurück. »Jetzt verstehe ich.«
Und tatsächlich, wenig später schob sie mir, unbemerkt von George, die Rechnung zu.
Doch als wir gerade aufstehen wollten, um zu gehen, verdunkelte sich plötzlich das ganze Restaurant, und die Kellnerin trat mit einer riesigen Geburtstagstorte voll brennender Kerzen in den Saal. Rundherum standen die Leute auf, begannen zu klatschen und stimmten – den Blick direkt auf George gerichtet – »Happy Birthday to You« an.
Beim dritten »Happy Birthday«, als der Schein der Kerzen unseren Tisch erreichte, sah ich Georges Gesicht. Es war hochrot vor Zorn, und seine Augen funkelten mich wütend an. Dem Mann, der einen Oscar ausgeschlagen hatte, war es zutiefst zuwider, sich in einem öffentlichen Lokal als Geburtstagskind feiern zu lassen. Er wohnt in einem Haus hoch oben in der Wildnis der Hügel von Malibu, hat eine geheime Telefonnummer und eine geheime Adresse in einer Straße, die keinen Namen hat. Wenn es einem dennoch irgendwie gelingt, das Haus ausfindig zu machen, und man dann die Kühnheit besitzt zu läuten, wird man nicht von George oder Trish empfangen, sondern von zwei englischen Doggen, die das Format kleiner Dinosaurier haben.
Kurz und gut, als die Torte unter Gesang und Applaus auf unseren Tisch gestellt wurde, hörte ich, wie George mit seiner General-Patton-Stimme wütend zu mir sagte: »Verdammt noch mal, Amory – er ist im Oktober!«
Sehr peinlich – es war gerade erst Mai. Vergeblich versuchte ich auf dem Weg hinaus ihm zu erklären, daß ich keine Ahnung gehabt hatte, wann sein Geburtstag war, und daß ich mir
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