Die Katze namens Eisbär
Nachdem wir es uns einmal zur Aufgabe gemacht hatten, Tiere zu schützen und vor Grausamkeit zu retten, brauchten wir dringend einen Ort, wo wir diese Tiere entweder bis zu späterer Abgabe oder für immer unterbringen konnten. Ich denke nur an unsere Rettungsaktion der Burros, der Wildesel im Grand Canyon. Wir hatten gehofft, sie, nachdem wir sie zuerst zusammengetrieben und mit Hubschraubern herausgeholt hatten, in Koppeln unmittelbar an den Rändern des Grand Canyon absetzen zu können. Doch das hatte sich aus zwei Gründen als undurchführbar erwiesen. Erstens hatten wir viel zu viele Tiere heraufgeholt – nämlich genau 577 –, um für alle einen guten Platz finden zu können; und zweitens waren viele der kleinen Esel gar nicht in einem Zustand, der es erlaubt hätte, sie sofort abzugeben. Wir brauchten einen Ort, wo wir sie unterbringen und tierärztlich versorgen konnten, um sie wieder auf die Beine zu bringen.
Unsere Rettungsunternehmen dehnten sich mit der Zeit auch auf Wildpferde und wilde Ziegen sowie eine große Vielfalt anderer Tiere aus. Während ich dies schreibe, leben auf der »Black Beauty Ranch«, einem Areal von über sechshundert Morgen, mehr als sechshundert Tiere, unter ihnen Rennpferde, Waschbären, Maultiere, Affen, Füchse, Elefanten und Lamas. Zu ihnen zählen auch solche Berühmtheiten wie Nim, der »singende« Schimpanse, und Shiloh, das letzte der beklagenswerten »Taucher«-Pferde von Atlantic City, die Tag für Tag sechsmal aus einer Höhe von fast zwanzig Metern in ein drei Meter tiefes Wasserbecken springen mußten.
Ich weiß nicht, wie ich auf die Schnapsidee kam, Eisbär mit auf die Ranch zu nehmen. Ich wußte schließlich nur zu gut, wie er zu reagieren pflegte, wenn man seine Abneigung gegen Reisen mißachtete. Aber in diesem Fall ließ ich es einfach darauf ankommen. Er brauchte ja auf der Ranch nichts weiter zu tun, als sich von mir herumtragen zu lassen.
Wenn ich verreise, packe ich niemals am Abend zuvor. Ich lasse Eisbär den Koffer immer erst in letzter Minute sehen, weil ihm dann weniger Zeit bleibt, seine übliche Schau abzuziehen, die stets nach dem gleichen Schema verläuft: Erst wird er unwirsch, dann zornig und schließlich fuchsteufelswild. Ich halte das auch so, wenn er mit mir reist; im Gegensatz nämlich zu glücklicheren »Katzen-Besessenen« kann ich es mir nicht leisten, seinen Korb herauszuholen und ihm zu zeigen, daß er mitkommen darf – es ist ihm schnurzegal, wohin die Reise geht, ihm paßt sie auf keinen Fall, er möchte nur zu Hause bleiben.
Also packte ich wie gewöhnlich erst am Morgen der Reise in aller Eile, vergaß natürlich diverse Dinge, schob Eisbär dann mit eiserner Hand in seinen Katzenkoffer und machte mich auf den Weg zum Flughafen. Wollte ich behaupten, er hätte sich besser benommen als auf früheren Reisen, so wäre das nicht wahr. Aber er war auch nicht schlimmer als sonst. Er schien mir nur schlimmer zu sein, weil ich die schauerlichen Erinnerungen an frühere Reisen mit ihm verdrängt hatte.
Sie meldeten sich jedoch sofort wieder, als ich seine ersten, fein abgestimmten »Ajaus« zu hören bekam. Sie fingen ganz zaghaft an, als wir im Taxi saßen, und steigerten sich zu voller Lautstärke, sobald wir in der Maschine waren. Nachdem er mir zunächst mit einem besonders durchdringenden »Ajau!« bekundet hatte, daß er aus dem verhaßten Katzenkoffer genommen zu werden wünschte, um wenigstens sein Leben aushauchen zu können, wo er wollte, stimmte er, sobald ich einen Spalt aufgemacht und er ein wenig Luft hatte, ein wahrhaft schmetterndes »Ajau!« an, um mich wissen zu lassen, daß er aus dem Flugzeug herauswollte. Er kreischte so ohrenbetäubend, daß sogar die Stewardeß mir voller Mitleid Trost zusprach.
Nach der Landung setzte ich, Eisbär immer noch sicher und wohlbehalten in seinem Katzenkoffer, die Reise mit einem Mietwagen fort. Es war Sommer, und im Sommer ist es heiß in Dallas. Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß alle Wagenfenster fest geschlossen waren, schaltete ich die Klimaanlage ein und ließ Eisbär aus seinem Koffer. Er war erstaunlich brav – weit braver als im Flugzeug – und zeigte großes Interesse an seiner Umwelt, insbesondere, als wir die kahle, wüstenähnliche Ebene hinter uns ließen und allmählich in welliges grünes Land vorstießen, auf dem Pferde und Rinder weideten. Mit Pferden kennt Eisbär sich aus, er begegnet ihnen oft genug im Central Park, aber Rinder hatte er noch nie gesehen.
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