Die Katze namens Eisbär
außergewöhnliche Tiere. Mein besonderer Liebling ist Ghostly, ein rein weißer Maulesel, in dem Klugheit und Sanftmut so ideal gepaart sind, daß er unser aller Herzen gewonnen hat und selbst Eisbärs Wohlwollen eroberte, als ich versuchte, die beiden Weißen zusammen zu fotografieren. Einfach war das nicht – einen Arm um Eisbär und einen um Ghostly –, und leider ist das Foto auch nichts geworden.
Nach den Mauleseln machten wir uns auf den Weg zu den Pferden. Es gibt auf der Ranch so viele verschiedene Arten von Pferden, daß es schwierig ist, sich unter ihnen einen Liebling zu wählen. Aber ich glaube, Eisbär verlor sein Herz an einen liebenswerten kleinen Burschen, der in seinen frühen Jahren Schreckliches erlitten hatte und beinahe Hungers gestorben wäre. Infolge der andauernden Unterernährung hatte sich das Pferd nie zu seiner vollen Größe entwickelt. Pilgrim, wie wir das Pferd nach seiner Rettung tauften, konnte sich an dem Tag, an dem er gefunden wurde, kaum noch bewegen und versuchte dennoch verzweifelt und mit letzter Kraft, sich zu einem Baum zu schleppen, dessen Borke ihm Nahrung gewesen wäre. Er, der anfangs keinem traute, geht jetzt vertrauensvoll auf jeden zu, da machte auch Eisbär keine Ausnahme. Während ich mit Eisbär im Arm abwartend dastand, näherte sich Pilgrim gemächlich und begann freundlich zu wiehern. Eisbär antwortete zunächst mit einem zaghaften »Ajau«, und nach einem kurzen Zwiegespräch streckte er in eindeutig freundlicher Absicht Pilgrim die Pfote entgegen.
Als nächstes besuchten wir einen Schimmel namens Cody, dem ich Eisbär jedoch vorsichtig fernhielt. Ich glaube, kein Pferd auf der Ranch hat Schlimmeres erlebt als Cody; was er durchgemacht hat, ist ein wahrhaft empörendes Beispiel menschlicher Grausamkeit gegen Pferde. Sein früherer Eigentümer, ein Arzt, war so aufgebracht darüber, daß das Pferd ihm nicht mit dem gleichen Zutrauen begegnete wie dem Jungen, der es versorgte, daß er es eines Tages in einem Wutanfall ins Knie schoß. Aber damit nicht genug, kettete er das verletzte Tier an und ließ es zehn Tage lang ohne ärztliche Betreuung. Eine Gruppe Frauen verklagte den Arzt. Er wurde zwar verurteilt, doch es gelang den Frauen nicht, das Sorgerecht für das Pferd zu bekommen. Aber sie ließen nicht locker: Zunächst kauften sie Cody auf einer Versteigerung – bei der er sonst sicher dem Schinder in die Hände gefallen wäre –, dann sammelten sie genug Geld, um ihn auf die »Black Beauty Ranch« bringen zu lassen.
Als ich Cody das erstemal sah, wie er mit seinem kaputten Vorderlauf herumzuhumpeln versuchte, war ich überzeugt, er leide so heftige Schmerzen, daß es barmherziger wäre, ihn einzuschläfern. Der Tierarzt meinte jedoch, ich solle die Entscheidung wenigstens bis zum Nachmittag vertagen. Und als ich Cody am Nachmittag das nächste Mal sah, war er auf der Weide, weit entfernt von der Stelle, wo ich ihn zuerst gesehen hatte. Wenn er wirklich so von Schmerzen geplagt gewesen wäre, wie ich glaubte, meinte der Tierarzt, hätte er es sicher nicht geschafft, einen solchen Weg zurückzulegen. Ich stimmte ihm zu, hatte aber dennoch Sorge, daß Cody sich bei der Fütterung gegen die wilden Mustangs nicht würde durchsetzen können. Einer der Knechte ließ mich später bei der Fütterung zusehen. Cody erwies sich als äußerst wehrhaft. Mit zurückgelegten Ohren und gefletschten Zähnen verteidigte er seinen Futteranteil gegen jedes Pferd, das versuchte, ihm etwas wegzunehmen, und bald sahen auch die wildesten Rowdys unter ihnen ein, daß es nichts einbrachte, sich mit Cody anzulegen.
Es wäre viel zu gefährlich gewesen, ihm mit Eisbär auf dem Arm zu nahe zu kommen, zumal ich längst gelernt hatte, daß man sich ihm am besten nur näherte, wenn jemand dabei war, der regelmäßig mit ihm zu tun hatte.
Nur einer meiner Lieblinge fehlte – Whitey, das Pferd, das beinahe zu uns gekommen wäre. Whitey war zum Symbol der leidenden Kutschpferde geworden, die überall im Land ausgebeutet und mißhandelt wurden. Eines Sommers vor einigen Jahren war er in New York in der 62. Straße plötzlich ins Taumeln geraten und dann, buchstäblich betäubt von der Hitze, umgefallen und auf die Straße gestürzt. Dort wäre er zweifellos verendet, wären nicht eine Krankenschwester und zwei Studenten der Tiermedizin, die das zufällig mitansahen, ihm zu Hilfe gekommen. Obwohl ein Gesetz in New York vorschrieb, daß Kutschpferde bei Temperaturen über dreißig Grad
Weitere Kostenlose Bücher