Die Katze namens Eisbär
Weide heran. Sie hat allerdings etwas dagegen, wenn Fremde sich auf ihren Zaun setzen; das ist nur Freunden erlaubt. Als sie noch allein war, vernarrte sie sich so sehr in einen Burro auf der Nachbarweide, daß sie ihm jeden Abend eine Ladung Heu brachte. Nachdem sie es abgelegt hatte, streckte sie den Rüssel über den Zaun und umarmte den Burro kräftig, dann trat sie ein paar Schritte zurück und zeigte das einzige Kunststück, das sie konnte – sie kniete auf einem Vorderbein nieder und streckte dabei ein Hinterbein nach rückwärts.
Normalerweise halten wir auf der Ranch nichts davon, ehemalige Schautiere dazu anzuhalten, weiterhin ihre Kunststücke vorzuführen, aber in diesem Fall machten wir eine Ausnahme. Wir stellten im übrigen fest, daß die alte Mär, Elefanten hätten vor kleineren Tieren Angst, zumindest in Congas Fall nicht zutraf. Sie hat überhaupt keine Angst vor den Feldmäusen, und Hunde und Katzen können ungehindert auf ihrer Weide herumstrolchen. Da ich dies alles wußte, war ich sicher, daß sie Eisbärs Gegenwart gelassen hinnehmen und ihn nicht erschrecken würde. Und so war es auch.
Bei meinen regelmäßigen Besuchen auf der Ranch krieche ich sonst immer unter dem Zaun hindurch und decke Conga mit einem gerüttelt Maß an Streicheleinheiten ein, wobei ich auch ihren Bauch nicht auslasse. Immer greife ich ihr auch ins Maul und tätschle ihre Zunge – das hat sie besonders gern. Diesmal jedoch verkniff ich mir das. Erst später, nachdem ich Eisbär wieder in den Wagen gesetzt hatte, gab ich Conga ein paar liebevolle Klapse, jedoch mit gebotener Zurückhaltung, um Eisbär nicht eifersüchtig zu machen.
Bald trabte auch Nora, Congas Gefährtin, an den Zaun. Nora ist ein sechsjähriges afrikanisches Elefantenkind, und ich war überzeugt, sie würde Eisbär gefallen. Schon deshalb, weil sie kleiner ist als Conga. Aber meine Vorstellung, daß die Begegnung ungezwungen und freundlich verlaufen würde, erwies sich als falsch. Ich hätte daran denken sollen, daß Nora ein sehr junger Elefant ist und Eisbär, schon fremden Erwachsenen gegenüber mißtrauisch, für kleines Kroppzeug, das er nicht kennt, überhaupt nichts übrig hat. Da bildeten Elefantenkinder, wie ich schnell feststellte, keine Ausnahme. Nora, die mit dem Rüssel weit flinker ist als Conga, tat auch nichts dazu, die Begegnung harmonisch zu gestalten. Sie erwartete offenbar die Leckerbissen, die wir sonst meist mitbringen – Äpfel, Orangen, Bananen, Wassermelonen, Süßkartoffeln und dergleichen –, und hielt Eisbär, als sie ihn erblickte, wohl für eine Kreuzung aus Banane und Süßkartoffel. Sehr plötzlich und blitzschnell griff sie mit dem Rüssel nach ihm. Eisbär parierte mit einem mutigen Prankenschlag. Eins zu null für Eisbär! Ich war stolz auf ihn.
Beide Elefanten waren auf dem nur allzu typischen Weg zu uns gekommen. Conga kam von einer Straßentierschau in Florida, wo sie, nachdem man einen jüngeren Elefanten aufgetan hatte, der mehr Kunststücke zeigen konnte als sie, nur noch den Tod zu erwarten gehabt hatte. Nora war bei einem Zirkus gewesen, dessen Betreiber wegen Grausamkeit gegen Tiere verurteilt worden war.
Während wir dort mit Conga und Nora am Zaun standen, mußte ich an meine ersten Begegnungen mit Elefanten in Kenia, Tansania und Mozambique zurückdenken. Schon ehe das große Wildern begann, hatte der Fonds anderen Tierschutzgruppen Infrarotgeräte und hochentwickelte Geräte zum Einsatz gegen Wilderer in Afrika gespendet. Heute, nach dem grausamen Gemetzel, sind wir trotz des endlich zustande gekommenen Verbots des Elfenbeinhandels immer noch weit davon entfernt, das Schicksal dieser Tiere optimistisch zu sehen.
Aber wer glaubt, daß nur die Elefanten in Afrika leiden, täuscht sich. Ich erinnere an einen Zwischenfall im Zoo von San Diego, der mindestens bis zu diesem Zeitpunkt als einer der besten zoologischen Gärten des Landes gegolten hatte. Die Sache begann damit, daß Dunda, ein afrikanischer Elefant wie Conga und Nora, aus ihrem langjährigen »Zuhause« im Zoo selbst in den Wildtierpark des Zoos gebracht wurde, um dort an einem »Zuchtprogramm« teilzunehmen. Einsam und verängstigt griff Dunda hier, den Aussagen der Zooleitung zufolge, einen Wärter mit dem Rüssel an. Nachgewiesen jedoch wurde das nie. Daraufhin verfügte der für die Elefanten zuständige Oberwärter eine, wie er es nannte, »Disziplinarsitzung.« Erst Monate später wurde öffentlich bekannt, was sich dabei abspielte.
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