Die Katze
bin Journalistin. Das weißt du. Diese Geschichte war genau mein Ding. Natürlich schreibe ich darüber. Das wusstest du, als du mich eingeladen hast.«
»Ich habe dich nicht als Reporterin eingeladen.«
»Das ist mein Beruf«, erinnerte Charley sie. »Das bin ich.«
»Mein Fehler«, erwiderte Lynn schlicht. »Ich dachte, du wärst mehr als das.«
In dem nachfolgenden verlegenen Schweigen versuchte Charley, die Kränkung wegzustecken. »Tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe.«
Lynn tat Charleys Entschuldigung mit einem Wink ihrer vier Zentimeter langen Fingernägel ab. »Aber es tut dir nicht leid, die Kolumne geschrieben zu haben. Stimmt’s?«
»Lynn …«
»Ach, halt einfach die Klappe.«
WARUM HALTEN SIE NICHT EINFACH DIE KLAPPE UND VERSCHWINDEN?!!!!
Charley starrte auf ihren Computerbildschirm. War es möglich, dass Lynn Moore die wütende Leserin war? Mit besorgtem Blick überflog sie deren Worte auf der Suche nach einem Widerhall von Lynns feinem Südstaaten-Akzent, aber vergeblich. Die wütende Leserin könnte jede sein. In den dreißig Jahren auf diesem Planeten und den dreien an ihrem Schreibtisch in der Redaktion hatte Charley Webb einen Haufen Leute verärgert. Es gab jede Menge Zeitgenossen, die sich wünschten, sie würde einfach die Klappe halten und verschwinden. »Ich dachte, du wärst mehr als das«, wiederholte sie leise. Wie viele andere hatten schon den gleichen Fehler begangen?
Von: Charley Webb
An: Wütende Leserin
Betreff: Eine durchdachte Antwort
Datum: Montag, 22. Januar 2007, 10:17:24 EST
Verehrte wütende Leserin,
WOW!!!! Das war aber mal ein Brief!!! (Wie Sie sehen, hat meine Tastatur auch ein Ausrufezeichen!!!!!) Danke, dass Sie mir geschrieben haben. Es ist immer interessant zu erfahren, was die Leser von meinen Kolumnen halten, selbst wenn ihr Urteil nicht jedes Mal positiv ausfällt. Und wenn ich mich nicht ganz täusche, waren Sie in der Tat nicht allzu begeistert von meinen jüngsten Artikeln. Das tut mir wirklich leid, aber wie heißt es noch so schön: Allen Herren recht getan ist eine Kunst, die niemand kann. Nicht wahr? Ich habe jedenfalls schon vor langer Zeit gelernt, dass der Versuch zwecklos ist. Lesen ist etwas Subjektives, und was dem einen wie das Paradies erscheint, ist für den anderen die Hölle. Ihrer Ansicht nach bin ich offensichtlich der wiedergeborene Satan!!!!
Natürlich dürfen Sie über mich denken, was Sie wollen. Das ist Ihr gutes Recht. Einige Ihrer ungeheuerlichen und irrigen Unterstellungen kann ich allerdings nicht so stehen lassen. Erstens habe ich meine Lippen weder kürzlich noch sonst irgendwann mit Restylan aufspritzen lassen. Meine Lippen sind die Lippen, mit denen ich geboren wurde, und ich bin eigentlich ganz zufrieden damit. Jedenfalls habe ich sie nie für besonders bemerkenswert gehalten, sonst hätte ich wahrscheinlich schon längst eine Kolumne darüber geschrieben. Außerdem habe ich mir als Kind die Nase gebrochen, als ich auf der Flucht vor meinem jüngeren Bruder gegen eine Mauer gerannt bin (mein Bruder jagte mich damals mit einer Vipernatter, die er in unserem Garten gefunden hatte). Davon habe ich eine lebenslange Furcht vor Reptilien und eine leicht - manche mögen auch sagen
charmant - nach links stehende Nase zurückbehalten. Ich hatte nie das Bedürfnis, sie richten zu lassen, obwohl ich das vielleicht überdenken sollte, nachdem Sie sie »kess« genannt haben.
Ich bin überrascht, dass Sie noch nie von Intimwaxing gehört hatten, bevor ich es in meiner Kolumne erwähnt habe, denn ich kann Ihnen versichern, dass es das schon sehr lange gibt. Aber nachdem Sie begriffen hatten, worum es ging - warum haben Sie dann um Himmels willen weitergelesen?!!! (Endlich kann ich auch mal die Kombination?!!! benutzen. Macht richtig Spaß!!!!)
Und was mein Vater darüber denkt, dass sich seine Tochter derart kindisch auslässt (nette Formulierung!), so vermute ich, er hat es - eingemauert in seinen Elfenbeinturm in Yale - nicht mitbekommen, oder wenn doch, ist es ihm egal, da wir seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben. (Regelmäßige Leser von WEBB SITE sollten das wissen!!!) Was meine Mutter betrifft, muss sie sich keine Sorgen darüber machen, wie sie ihren Freundinnen erhobenen Hauptes gegenübertreten kann, weil sie wie ich keine hat. (Mögliches Futter für eine kommende Muttertags-Kolumne, die Sie leider verpassen werden.) Meine Kinder haben hingegen jede Menge Freunde und leben in glücklicher
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