Die Katze
Ahnungslosigkeit über das geistlose Geplapper ihrer Mutter. Da ich - welch Wunder! - nicht die Gewohnheit habe, nackt durchs Haus zu stolzieren, waren sie auch noch nicht zu ästhetischen Urteilen über die Enthaarung meiner unteren Gefilde genötigt. Wow - das sind auch geschrieben noch große Worte!!! Was die Tatsache betrifft, dass ich keinen der Väter meiner Kinder geheiratet - oder, wie ich hinzufügen möchte, auch nur mit ihnen zusammengelebt - habe, so lässt sich dazu nur sagen, dass mir auf diese Weise immerhin die Unannehmlichkeiten einer Scheidung erspart geblieben sind; im Gegensatz zu meinen Schwestern, die es zusammen auf viereinhalb Scheidungen bringen - Emily auf drei und Anne auf eine Scheidung und eine Trennung. (Ich werde Ihre Glückwünsche
zu ihren jüngsten, hochverdienten Erfolgen übrigens gerne weiterleiten.)
Was meine Kolumne betrifft, sollten Sie wissen, dass ich genau das mache, wofür ich engagiert wurde. Als ich vor drei Jahren zur Palm Beach Post kam, erklärte der Chefredakteur Michael Duff, dass er eine jüngere Leserschaft ansprechen und daher unbedingt wissen wollte, was Leute meines Alters denken und machen. Kurzum, im Gegensatz zu Ihnen interessierte er sich sehr für Alles Charley . Was er auf keinen Fall wollte, war objektiver Journalismus. Im Gegenteil, er wollte, dass ich völlig subjektiv schreibe - ehrlich, offenherzig und hoffentlich auch kontrovers.
Nach den E-Mails zu urteilen, die ich heute Vormittag bekommen habe, ist mir dies gelungen. Es tut mir leid, dass Sie meine Prosa für kindisch halten und Ihr Abonnement unserer wundervollen Zeitung kündigen, aber das ist selbstverständlich Ihr gutes Recht. Ich werde weiter meinen Job machen, die aktuelle gesellschaftliche Szene kommentieren, über Trends und Wertvorstellungen meiner Generation berichten und neben meinen Ausflügen in die Welt der totalen Oberflächlichkeit auch so wichtige Themen wie die Misshandlung von Ehefrauen und die Verbreitung von Pornografie ansprechen. Schade, dass Sie nicht mehr dabei sind.
Mit freundlichen Grüßen, Charlotte Webb
(Sorry, konnte nicht widerstehen.)
Charleys Finger schwebte mehrere Sekunden über dem SENDEN-Button, bevor sie stattdessen LÖSCHEN anklickte. Sie sah zu, wie die Worte unverzüglich von ihrem Monitor verschwanden, während die Geräusche eines geschäftigen Montagmorgens zu ihr vordrangen: klingelnde Telefone, klappernde Tastaturen, prasselnder Regen gegen die vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster in der zweiten Etage des dreistöckigen
Gebäudes. Sie hörte, wie vor ihrem winzigen Kabuff Kollegen einander höflich nach dem vergangenen Wochenende fragten. Sie lauschte ihrem freundlichen Geplauder, dem harmlosen Klatsch und dem Lachen und fragte sich kurz, warum niemand an ihrem Schreibtisch stehen blieb, um sich nach ihrem Wochenende zu erkundigen. Aber das machte nie jemand.
Es wäre leicht, den Grund dafür in beruflichem Neid zu suchen - sie wusste, dass die meisten ihrer Kollegen ihre Kolumnen und damit auch sie für albern und belanglos hielten und ihr ihre Prominenz missgönnten -, aber in Wahrheit war sie an der zunehmenden Kälte ihrer Kollegen zum großen Teil selber Schuld. Als Charley bei der Palm Beach Post angefangen hatte, hatte sie alle Annäherungsversuche abgewiesen, weil sie glaubte, es wäre besser, Job und Privatleben strikt voneinander zu trennen. (Genauso wie sie stets der Ansicht gewesen war, dass man lieber nicht zu kumpelig mit den Nachbarn wurde, womit sie verdammt recht behalten hatte!) Sie war nicht direkt unfreundlich, sondern bloß ein wenig distanziert. Ihre Kollegen hatten die Botschaft rasch begriffen. Niemand mochte Zurückweisungen, vor allem Autoren nicht, die schon zu oft zurückgewiesen worden waren. Bald versiegten die beiläufigen Einladungen zum Abendessen zusammen mit der Aufforderung, noch auf einen Drink nach der Arbeit mitzukommen. Inzwischen würdigte man sie kaum noch eines »Hallo, wie geht’s?«.
Bis zum heutigen Morgen, dachte sie schaudernd, als sie sich an den anzüglichen Blick erinnerte, den der leitende Redakteur Mitchell Johnson ihr zugeworfen hatte, als sie an seinem verglasten Büro vorbeigegangen war. Von Natur aus ohnehin kein besonders feinfühliger Mensch, hatte Mitch auf den Schritt ihrer Rock&Republic-Jeans gestarrt und gefragt: »Läuft alles glatt? Gut , meinte ich, gut , nicht glatt , verbesserte er sich, als wäre es ein unabsichtlicher Versprecher gewesen.
Er glaubt, mich zu kennen,
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